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Berlin: Akademischer Feiertag

FASS spielt gegen die Capitals – vor 2000 Eishockey-Fans

Von Claus Vetter

Für den Freien Akademischen Sportverein Siegmundshof war es das Spiel des Jahres. Da begrüßte der einst von Studenten gegründete Eishockeyklub zu einem Heimspiel im Erika-Hess-Stadion in Wedding fast 2000 Zuschauer. Und das mit allem professionellem Beiwerk wie VIP-Raum, Pressekonferenz und Ordnerdienst. Natürlich war es ein Feiertag im Eisstadion Wedding. Denn im Normalfall tummeln sich bei Heimspielen des unter dem sperrigen Kürzel FASS firmierenden Verein 100 oder auch schon mal 150 Besucher auf der Tribüne. Eishockey in der Regionalliga, das war in Berlin bislang nicht unbedingt der Renner. Und dass FASS am Sonnabend vor großer Kulisse spielen durfte, lag allein am Gegner. Das waren die aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) abgestürzten Berlin Capitals.

Die Fans sind den Berlinern in die Viertklassigkeit gefolgt. Zum Derby in das beschauliche Weddinger Eisstadion, wo es schon seit Jahren keine Eishockeyspiele vor vollen Rängen gab, sind am Sonnabend über 1500 Anhänger der Capitals gekommen. Zum Jubeln, versteht sich. Denn in den ersten vier Punktspielen dominierte der unter professionellen Bedingungen geführte Klub aus Charlottenburg die Konkurrenz in der Regionalliga nach Belieben. Klare Siege machen dem gemeinen Fan natürlich immer Freude, da stört es auch nicht, dass der Gegner auf einmal nicht mehr Kölner Haie, sondern Freier Akademischer Sportverein Siegmundshof heißt.

Doch bei FASS kam es zunächst für die Charlottenburger anders als erwartet. Nach zwei Dritteln spendeten die Fans der Capitals den Akademikern sogar Applaus. Der Außenseiter führte überraschend und nicht einmal unverdient mit 2:1. Eine harsche Ansprache vom Capitals-Trainer Andreas Brockmann rückte die Verhältnisse im letzten Drittel wieder gerade. Die Capitals gewannen nach sehenswertem Endspurt mit 7:2, und ihre Fans waren versöhnt.

Brockmann allerdings nicht. „Natürlich haben die bei FASS gekämpft wie die Irren“, sagte der Ex-Nationalspieler. „Aber wir waren nachlässig und arrogant. So was darf nicht passieren. Wir müssen von unserem hohen Ross runter und zwar alle: Wir können die Fans nicht jedes Drittel entzücken.“ Vielleicht waren die Akteure der Capitals am Sonnabend aber auch nur müde. Ist doch der Übungsaufwand von Brockmann für einen Viertligisten eher ungewöhnlich. Vor dem Spiel bei FASS hatten die Spieler der Capitals neun Trainingseinheiten an vier Tagen absolvieren müssen, dazu kam noch der tägliche Gang in den Kraftraum. „Einer unserer Betreuer hat mir gesagt, dass die früher selbst mit der DEL-Mannschaft in der Vorbereitung nicht so viel trainiert haben“, sagt Brockmann. „Aber als Ausrede für das Spiel bei FASS lasse ich das nicht gelten."

Am Freitag, wenn die Capitals in der Deutschlandhalle (19.30 Uhr) die Jungfüchse Weißwasser empfangen, will Brockmann ein anderes Gesicht seiner Mannschaft sehen. „Denn Lernen kann man im Leben nur aus Negativerlebnissen“, sagt er. Wenn klare Siege Negativerlebnisse sind, dann kann es einem Verein so schlecht nicht gehen.

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