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Nies

© Mike Wolff

Aktion Ehrensache: Ein guter Ratgeber

Er kennt sich aus mit Papierkram. Und mit Alltagsfragen. Und mit den Sorgen Kranker und Vereinsamter. Steffen Nies ist Rentenfachmann. In seiner Freizeit engagiert er sich für HIV-Infizierte.

Steffen Nies springt ein, wenn es am schwersten ist. Wie im Fall von Alex: Der 58-jährige ehemalige Spediteur ist HIV-positiv und konnte wegen einer akuten Viruserkrankung plötzlich nicht mehr gehen und sprechen. Freunde und Familie ließen ihn im Stich. „Da war niemand mehr“, sagt Alex. Die Organisation „Pluspunkt“, die Menschen mit HIV unterstützt, vermittelte ihm Steffen Nies.

Seit eineinhalb Jahren ist Nies nun ehrenamtlich für Alex da. Einmal die Woche besucht der 39-Jährige den Schwerkranken mit dem grauen Zopf, ein paar Stunden bleibt er. Mal erledigt er Behördengänge oder den Einkauf, mal trinken die beiden einfach Kaffee und reden ein bisschen. „Momentan haben wir ein Pflanzenprojekt“, sagt Nies. Die beiden haben exotische Samen bestellt und versuchen, sie zum Keimen und Wachsen zu bringen. Steffen Nies wird das mit beobachten, und er wird da sein, solange Alex ihn braucht.

Seit fast 15 Jahren betreut Nies in seiner Freizeit Menschen, die Hilfe nötig haben, und berät außerdem bei verschiedenen Projekten HIV-Infizierte in Rentenfragen. Beruflich ist er Verwaltungswirt, er arbeitet bei der Deutschen Rentenversicherung. Um fünf Uhr früh steht er auf, eine Stunde trainiert er jeden Morgen im Fitness-Studio, zwei Nachmittage ist er für sein Ehrenamt unterwegs. „Ich muss mich gut organisieren“, sagt er. „Aber Zeit zu haben heißt einfach, Prioriäten zu setzen.“

Mitte der Neunziger, als er gerade mit dem Studium fertig war, suchte Nies eine sinnvolle Tätigkeit neben der Arbeit. Als Schwuler, der seit Ende der achtziger Jahre in Berlin lebt, habe er der Szene etwas zurück geben wollen, sagt er. Er habe das Schwulsein in dieser Stadt immer als unproblematisch empfunden.

Anfangs verteilte Steffen Nies Kondome in Diskos, auf die Dauer war ihm das zu wenig. So landete er bei der Organisation „Pluspunkt“ und übernahm seine erste Betreuung. „Die haben ganz schnell mitgekriegt, was ich beruflich mache und haben mich dann auch für die Beratungen eingespannt“, sagt er und lacht.

Vorbereiten musste er sich darauf nicht: „Ich frage mein Wissen doch nur ein zweites Mal ab“, sagt er, „für einen guten Zweck.“ Ob und wie viel Rente die Menschen bekommen, wie ein Antrag ausgefüllt wird – obwohl es immer dieselben Fragen sind, ist die Beratung keine Routine für ihn. „Ich versuche, mich auf die Leute einzustellen“, sagt Nies. „Ich bekomme ja jedes Mal Einblick in ein anderes Leben.“ Er wirkt entgegenkommend und entspannt, man kann sich vorstellen, dass die Menschen sich gut aufgehoben fühlen bei ihm.

Das hilft ihm auch bei den Betreuungen. Sechs Männer hat er mittlerweile begleitet, oft waren sie krank, meistens allein. Manchmal hielt er auch an einem Krankenbett Wache, damit der pflegende Partner mal zum Durchatmen kam. „Es ist dann gut zu sehen, dass die Leute gesundheitlich Fortschritte machen“, sagt Nies. „Und irgendwann ruft einer an und sagt ab, weil er zu beschäftigt ist.“ Zwei Monate Pause gönnt sich Nies, wenn eine Betreuung beendet ist. Er muss den Kopf frei bekommen für die nächste.

Sein Freund unterstützt sein Engagement. Das war nicht bei jedem seiner Partner so: Der letzte habe sich beschwert, dass er nie Zeit hatte. „Aber für mich ist es wichtig zu merken, dass mein Engagement sinnvoll ist und angenommen wird“, sagt er. Das muss auch der Partner verstehen.

Alex, der mit Hilfe eines Rollators wieder langsam laufen kann, steht immer in der Tür, wenn sein Betreuer geht. „Er sagt dann tschüs und Danke schön“, sagt Steffen Nies. „Er betrachtet es nicht als selbstverständlich, dass ich da bin. Das finde ich schön.“

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