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Berlin: Alkoholismus: Hilfe für Partner, Kinder und Freunde

Jahrelang hatte Christiane, die ihren Nachnamen nicht genannt haben will, nicht wahrhaben wollen, dass sie nichts ändern kann. Dass der Mann, den sie geheiratet hatte, weitertrinken würde, egal wie lieb, verständnisvoll oder zornig sie auch reagieren würde.

Jahrelang hatte Christiane, die ihren Nachnamen nicht genannt haben will, nicht wahrhaben wollen, dass sie nichts ändern kann. Dass der Mann, den sie geheiratet hatte, weitertrinken würde, egal wie lieb, verständnisvoll oder zornig sie auch reagieren würde. Jahrelang rieb sie sich auf in dem Bemühen, einem Menschen zu helfen, dem nicht zu helfen war. "Ich war besessen von dem Gedanken, ihm zu helfen", schreibt Christiane in ihrer Lebensgeschichte. Bis sie erkannte, dass Alkoholismus eine Krankheit ist, von der sich in der Regel nicht einmal der Kranke ohne professionelle Hilfe befreien kann. "Hätte mein Mann irgendeine andere Krankheit gehabt", sagt sie heute, "wäre ich wohl kaum auf die Idee gekommen, ihn heilen zu können."

Am Tiefpunkt ihres Lebens angekommen, ging Christiane zu einer "Al-Anon-Familiengruppe" für Angehörige und Freunde von Alkoholikern. Weltweit bieten die Selbsthilfegruppen, die aus der Bewegung der "Anonymen Alkoholiker" hervorgegangen sind, seit 50 Jahren Unterstützung.

Anlässlich des Jubiläums machten die "Al-Anon-Familiengruppen" gestern in Berlin auf die Lage der Angehörigen aufmerksam. Die Geschichten ähneln sich, egal ob es sich um Eltern, Kinder oder Partner handelt. "Fast jeder meint, wenn er sich nur entsprechend verhalte, höre der andere auf zu trinken", erzählte Karin Grundig, Neurologin und Vorsitzende der Interessengemeinschaft Anonyme Alkoholiker e.V. Auch würde mit immer denselben Strategien versucht, dem Griff zur Flasche ein Ende zu bereiten: "Der Alkohol wird versteckt oder weggeschüttet; einige trinken auch mit, weil sie meinen, dann würde der andere weniger trinken." Alles in allem lebten Angehörige in permanenter Angst sowie unter Schuldgefühlen - oft genug würden sie auch beschuldigt, verantwortlich zu sein.

Aus dem Sammelsurium dieser Faktoren ergibt sich das, was Experten als "Co-Abhängigkeit" bezeichnen - ein Syndrom, das nach Angaben von Grundig ebenfalls der Behandlung bedarf. "Genau wie Alkoholiker müssen auch Angehörige lernen, sich wieder auf sich selber zu konzentrieren, ihre eigenen Ziele zu verfolgen", sagt Grundig. "Meist hat über Jahre eine ausschließliche Fixierung auf den anderen stattgefunden." Oft führe die "Co-Abhängigkeit auch zu Depressionen bis hin zur Suizidgefährdung. Besonders anfällig dafür, selbst dem Alkoholismus anheimzufallen, sei die "zweite Generation", also die Kinder von Alkoholkranken.

Die Al-Anon-Gruppen stehen jedem offen, der durch den Alkoholkonsum eines anderen beeinträchtigt wird. Der Bedarf ist enorm: Laut der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren haben zwei bis drei Millionen Deutsche ein behandlungsbedürftiges Alkoholproblem. Die Zahl der Angehörigen ist dementsprechend höher.

Jeannette Goddar

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