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Berlin: Alles anders gemacht und nichts geändert

„Statt-Partei“ und „Jetzt.Wir“: zwei Parteien, die vor einem Jahr Berlin umkrempeln wollten

Von David Ensikat

Erinnert sich noch jemand? Vor beinah einem Jahr hat Berlin neu wählen dürfen. Da die Krise so groß war, war das Vertrauen in die Parteien sehr klein. Also gründeten die tapfersten Stadtbürger neue Parteien. Parteien, die alles anders machen sollten, alte Zöpfe abschneiden, Mist auskehren, frische Ideen einbringen, na was man eben so macht als neue Partei.

Was ist aus denen geworden? Fragen wir die „Statt-Partei“ und „Jetzt.Wir“. Zuerst „Jetzt.Wir“, eine Gruppe Jugendlicher, die vor allem für den frischen Wind angetreten sind. Naja, erstmal haben sie nicht die 2200 Unterschriften zusammenbekommen, um zur Abgeordnetenhauswahl antreten zu drüfen. Ihre Beschwerde liegt noch heute beim Gericht herum. Immerhin: Für ein paar Bezirksparlamente konnten sie sich zur Wahl stellen, die Kandidatin für Hellersdorf/Marzahn bekam 2,3 Prozent – mehr als die Kandidaten der Grünen und der FDP, wie sie sich stolz erinnert. Und die Politik? Naja, außerhalb der Parlamente könne man auch was tun, gegen die Kürzung bei den freien Trägern kämpfen und so. Richtig schnell und konkret erfährt man nicht, was die Parteiarbeit nun ausmacht, aber Hauptsache ist: Es gibt sie noch, die Jungaktivisten von „Jetzt.Wir“, in einigen Bezirken jedenfalls. In Hellersdorf/Marzahn sind’s sechs.

Die Statt-Partei: Zehn Leute hatten sie im Sommer 2001 gegründet, der Vorsitzende hieß Marius Minke, war 29 Jahre alt und dachte sich: Muss doch mal was geschehen in der Stadt. Da er das Prinzip der Mediengesellschaft durchschaute, besorgte er seiner Partei auch eine richtige Spitzenkandidatin, eine mit besonders viel Sendungsbewusstsein, eine, die gerne redet. Annette Ahme war das, sie redete viel und entwarf der Partei auch gleich ein neues Programm. Dann kam die Wahl, und alles hatte nichts geholfen: 0,8 Prozent bekam die Partei, ab einem Prozent hätte sie auch ein wenig Geld bekommen.

Was blieb, waren Schulden bei der Druckerei, die die Wahlkampfblätter hergestellt hatte, und: zwei Mandate in der Bezirksverordnetenversammlung Treptow/Köpenick. Mehr als gar nichts, wenn auch etwas weniger als nötig zur geplanten Umkrempelung der Berliner Politik. Die beiden Köpenicker haben sich denn auch auf ein kleineres Ziel verständigt: Sie wollen nur den Flughafenbau in Schönefeld stoppen. Mit den Mitteln, die man in der BVV eben hat: Mit Anträgen zu Entschließungen zu Forderungen ans Bezirksamt, auf dass dieses auch mal Stellung beziehe zum Fluglärmproblem.

Es gab ein Intermezzo, da sah es aus, als würde aus der Statt-Partei in Süd-Berlin was werden: Ein BVV-Abgeordneter der SPD trat über, und plötzlich waren es drei Stattler und also eine richtige Fraktion. Erik Schulz, der Überläufer, war prompt Fraktionschef – und zum Parteivorsitzenden von ganz Berlin haben sie ihn auch gemacht (Marius Minke hatte sich von seiner Spitzenkandidatin entmachten lassen, die hat sich als superengagiert dann auch nicht mehr erwiesen, wozu auch bei der Handvoll Mitglieder, die ihr geblieben waren).

In der vergangenen Woche haben sie Erik Schulz wieder abgesetzt. Der hatte ja niemals Zeit für die Politik. Jetzt gibt es die Fraktion nicht mehr, nur noch die zwei, die ihren Kampf gegen Schönefeld weiterfechten.

Aber warten wir’s nur ab, bei der nächsten Wahl wird wieder alles ganz, ganz anders.

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