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Alles ökologisch: Pilze auf Kaffeesätzen

In einem Untergeschoss in Schöneberg wächst Essbares auf Kaffeesätzen. Die Gourmetköche der Stadt kaufen hier ein.

Es ist dunkel und kühl, der Boden übersät mit kleinen Wasserlachen. Schummriges rotes Licht, klackende Ventilatoren, von der Decke hängen undefinierbare weiß- braune Klumpen herab, durchzogen von weißen Fäden. Wer den Keller des Unternehmens „Chido’s Mushroom“ betritt, fühlt sich unweigerlich in die Kulisse eines Horrorfilms versetzt. Kein Grund sich zu gruseln, sagt Anne Kathrin Kuhlemann. Denn die herabhängenden Beutel sind nicht etwa mumifizierte Körperteile, sondern Pilze, die in diesem Schöneberger Keller auf Kaffeesätzen wachsen. Damit beliefert Kuhlemanns Firma die Gourmetrestaurants und Markthändler der Stadt.

Die Gourmets schwören auf den nussigen, frischen Geschmack, der durch den Kaffee in den Pilz kommt. Die Idee, ursprünglich aus ökologischen Gründen entstanden, ist inzwischen Geschmacksgarant. Und halb Berlin beliefert die Firma mit Kaffeesatz. Starbucks, Einstein – mehrmals in der Woche werden die Kaffeesätze mit Elektrofahrrädern abgeholt. Mindestens 20 Kilo Kaffeesatz müssten dabei schon anfallen, sonst lohne es sich nicht, sagt Kuhlemann. Anschließend wird der Kaffeesatz mit anderen Zutaten vermischt, vor allem mit dem Kaffeehäutchen, das sich beim Rösten der Bohne ablöst, und natürlich der Pilzsaat, auch Myzel oder Pilzbrut genannt. „Dann kommen die Tüten in den Rotlichtraum und der Pilz durchwächst den Kaffee“, sagt die 33-Jährige. „Der eigentliche Pilz ist aber nicht das, was wir am Ende essen, sondern die weißen Fäden, die den Kaffeesatz durchziehen.“ Deshalb kommen die vier Kilo schweren Pilztüten nach vier Wochen in den Fruchtungsraum nebenan. Dort werden sie aufgemacht, mit viel Wasser übergossen und nach einiger Zeit wächst der Fruchtkörper, den wir als Pilz verspeisen.

Drei Pilzsorten wachsen in diesem Keller in der Bülowstraße – Austernseitlinge, Limonenseitlinge und Rosaseitlinge. „Diese Sorten können wir alle unter den gleichen Bedingungen züchten“, erklärt Kuhlemann und sogleich erschließt sich die Horrorfilmatmosphäre: dunkel, feucht und mit 17 bis 22 Grad recht kühl muss es sein.

Abnehmer der Pilze sind Berliner Gourmetrestaurants, wie das VAU am Gendarmenmarkt, Hotels wie das Intercontinental im Tiergarten und Markthändler. Seit kurzem ist auch ein Großhändler darunter.

2010 haben Kuhlemann und ihr Geschäftspartner Philipp Buddemeier mit der Pilzzucht angefangen, zunächst in einem kleineren Keller in Kreuzberg. Das folgende Jahr haben die beiden hauptsächlich mit Genehmigungsprozessen verbracht. „Alles wurde getestet“, sagt Kuhlemann. „Das Gesundheitsamt hat drei Lebensmittellabore beschäftigt, um zu garantieren, dass kein Koffein mehr in den Pilzen zu finden ist.“

Zu ihrer Geschäftsidee inspiriert hat sie die afrikanische Waise Chido Govera, Namensgeberin und Gesellschafterin der Firma. Die junge Frau aus Simbabwe lernte mit elf Jahren die Pilzzucht auf organischem Abfall bei einem Universitätsprojekt und entwickelte sie weiter. Die Pilze dienen nicht nur als Nahrung, der Überschuss kann auch verkauft werden. Damit versucht Govera die Armut und den Hunger in Afrika zu verringern. Chido’s Mushroom gibt einen Teil der Einnahmen für Ernährungssicherungsprojekte aus. „Unsere Pilze haben 4,6 Gramm Eiweiß pro 100 Gramm. Sie sind also ein ernsthafter Fleischersatz, vor allem in Ländern, in denen hochqualitative Ernährung Mangelware ist“, sagt Kuhlemann.

Günstig ist das nicht gerade, knapp zehn Euro kosten beispielsweise 500 Gramm Austernpilze. Etwa 50 Kilo Pilze werden an zwei Tagen in der Woche geerntet. Der Rest der Kaffeesätze wird kompostiert und als Dünger weiterverwendet, etwa in den Prinzessinnengärten in Kreuzberg. Ziel der Firma ist es, in Zukunft überhaupt keinen Abfall mehr zu haben. „Momentan haben wir noch die Plastiktüten als Abfall“, sagt Kuhlemann. „Wir experimentieren da schon mit Bioplastiktüten, aber die sind noch nicht so stabil.“ Außerdem soll der Humus für die Regenwurmzüchtung genutzt werden, mit denen dann wiederum Fische gefüttert werden. Das sei aber alles erst in Planung.

Bereits umgesetzt haben die Unternehmer bereits die Idee der Pilzzucht für zu Hause. Etwa zehn Euro kosten die „Home Growing Kits“. „Das ist ganz einfach und nach einer Woche können die ersten Pilze geerntet werden“, sagt Kuhlemann. Vor allem Kinder könne man damit begeistern. Und es ist nicht ganz so unheimlich wie der Abstieg in den Gruselkeller.

Die Pilze von Chido’s Mushroom gibt es

auf dem Stand des Markthändlers „Werderaner Spezialitäten“, Mi. und Fr., 9-16 Uhr, auf dem Hausvogteiplatz in Mitte oder Sa., 10-16 Uhr auf dem Arnim Platz/Selower Straße. Außerdem nach Vorbestellung direkt in der Bülowstraße 56 in Schöneberg oder im Internet unter: www.chidos.org

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