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Berlin: Alte Kämpen im Ring: Zweikampfin ZehlendorfFür Sozialdemokrat Klaus Uwe Benneter und CDU-Mann

Uwe Lehmann-Brauns geht es bei der Wahl um alles

Von Brigitte Grunert

Am S-Bahnhof Nikolassee fallen zwei Frauen über Klaus Uwe Benneter her. Lautstark beschweren sie sich über zu große Schulklassen. „Aber ’n Schloss bauen!“, schallt es durch die Bahnhofshalle. Der SPD-Wahlkreiskandidat versucht ein werbendes Gespräch über Bildungsfragen, steht aber auf verlorenem Posten. Das ist zwar ein paar Wochen her, und die SPD inzwischen im Aufwind, doch hier kann wohl nur CDU-Kandidat Uwe Lehmann-Brauns gewinnen. Zehlendorf ist CDU-Bastion, seit 1946 schon.

Es war eine Sensation, die mit der Macht der Wechselstimmung zu tun hatte, dass die SPD zur Bundestagswahl 1998 das Direktmandat in Steglitz-Zehlendorf mit 42,7 Prozent der Stimmen holte; Lehmann-Brauns bekam 39,4 Prozent. Bei den Zweitstimmen lag die SPD (35,4) nur exakt zwei Prozent vor der CDU (33,4). „Ich habe damals nicht in Zehlendorf verloren, sondern in Steglitz“, sagt Lehmann-Brauns. Diesmal will er es schaffen. Doch auch Benneter gibt sich optimistisch.

Es ist ein verbissener Zweikampf um das Wahlkreismandat im bürgerlichen Südwesten zwischen zwei alten Zehlendorfern. Lehmann-Brauns und Benneter kennen sich seit einer halben Ewigkeit. Beide haben an der FU studiert, beide sind Rechtsanwalt. Und beide haben jahrzehntelang gegen ihre Parteioberen rebelliert. Nun geht es um die Wurst. Nur der Wahlkreissieger kann in den Bundestag einziehen, denn keiner von ihnen ist auf der Landesliste seiner Partei abgesichert. So weit die Gemeinsamkeiten. Doch sie sind wie Feuer und Wasser.

Für den Kulturpolitiker Lehmann-Brauns wäre der Reichstag die Krönung seiner politischen Karriere nach 22 Jahren im Abgeordnetenhaus, dem er seit 2001 nicht mehr angehört. Inzwischen ist er 64. Rechtspolitiker Benneter (55) war Stadtrat in Zehlendorf. Im Abgeordnetenhaus sitzt er erst seit 2001, macht aber als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses in Sachen Bankgesellschaft von sich reden. Gemocht haben sie sich nie. Benneter sagt über Lehmann- Brauns: „Der war vor 35 Jahren mal Reformer. Er ist so elitär, und wenn er aus sich herausgeht, wird er gleich polemisch.“ Lehmann-Brauns fällt zu Benneter auch nichts Schmeichelhaftes ein: „Ich will nicht unhöflich sein, seine Kollabaration mit den Kommunisten ist vielleicht verjährt.“

Richtig, 1977 wurde der damalige Juso-Bundeschef Benneter als Linksabweichler aus der SPD hinausgeworfen. 1983 durfte er wieder eintreten. Er erwähnt die Episode bei einer Diskussion der Abiturklassen des Werner-von-Siemens-Gymnasiums mit den Wahlkreiskandidaten. Die Schüler lachen. Sie finden es auch spaßig, dass sich Lehmann-Brauns als „früher links in der CDU, aber Gegner der Hausbesetzer, heute Wertkonservativer“ vorstellt. Alice Ströver (Grüne) erzählt, dass sie für die Hausbesetzer war. Du liebe Güte, das ist gut 20 Jahre her. Markus Löhning (FDP) empfiehlt sich mit dem aktuellen Bekenntnis zur Abschaffung der Wehrpflicht. Und der türkisch-stämmige Giyasettin Sayan (PDS) sagt über seine Partei so gut wie nichts, er attackiert die CDU. Ein Sieger nach Punkten ist hier nicht erkennbar, obwohl die Schüler den Kandidaten zweieinhalb Stunden mit Lust auf den Zahn fühlen; kein Thema lassen sie aus.

Gewandelt hat sich der SPD-Mann mit der randlosen Brille, nicht der jugendlich wirkende CDU-Mann. Benneter ist die personifizierte Parteidisziplin, seit Gerhard Schröder Kanzler ist, ein Linker auf Schröder-Kurs. Sie sind Freunde seit Juso-Tagen.

Steglitz ist wohl Benneters Hoffnung. Dort ist er lieber unterwegs. Kneift er in Zehlendorf? „Nein, aber man reizt seine Gegner nicht, sondern umwirbt potenzielle Anhänger, auf die Mobilisierung kommt es an.“ Beim „Kinderfest der Kulturen“ im alten Gutshof Lichterfelde ist er mit seinem Karton Werbematerial unterm Arm gern gesehen. Doch mehr als für die SPD-Flyer interessieren sich Mütter für einen Job, den sie nicht haben. Er kennt das, die Arbeitslosigkeit ist überall ein Hauptthema. „Der kann das“, wirbt er auf seiner Visitenkarte – passend zum Schröder-Wahlslogan: „Wir schaffen das.“

Lehmann-Brauns hat keine Visitenkarten: „Die brauche ich nicht.“ Er wettert gegen „den Abbau im Südwesten“ und flickt nicht nur damit Rot-Rot kräftig am Zeuge. Da muss Benneter gegenhalten. Auch er macht sich für die Erhaltung des FU-Klinikums Benjamin Franklin und für das Schloßparktheater stark, egal, was der Senat sagt. Er hat sogar eine Versteigerung von Grafiken bekannter Künstler wie Günter Grass organisiert, in Steglitz. Er lächelt listig, wenn er das erzählt. Soll keiner denken, Lehmann-Brauns habe die Kulturpolitik gepachtet.

Sonnabendvormittag auf der „Kampfmeile“ in Zehlendorf-Mitte. Am CDU-Stand ist am meisten los. Lehmann-Brauns verteilt rote Rosen. Bezirksverordnete hat er für Kiez-Fragen mitgebracht. Bürger fragen ja nicht nur nach großer Politik. Auch die „Münzen“ für Einkaufswagen werden gern genommen. „Eine Mark“ steht drauf. „Die sind eben veraltet“, spöttelt Schulstaatssekretär Thomas Härtel, der recht einsam am SPD-Stand mit Leierkastenmusik lockt. Die PDS ist auch da, aber einfach Luft. „Sollen in den Osten gehen“, sagt ein Passant zu Lehmann-Brauns. Hier verursacht die PDS noch eine Gänsehaut. Na ja, der CDU-Kandidat bekommt nicht nur gute Wünsche und Verwünschungen der Roten zu hören. „Warum lassen Sie nicht junge Leute ran, die nichts mit Filz und Bankenskandal zu tun haben?“, kneift einer in die Achillesferse der Union. „Das war eine Ausnahme“, meint der CDU-Mann hastig: „Ich hoffe, wir haben die Nase vorn.“

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