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Berlin: Am laufenden Band

Dirk Langusch betreibt eine Skihalle. Auf seinem „goldenen Teppich“ lernen Menschen das Wedeln

Das grauhaarige Ehepaar lächelt vor der schneebedeckten Bergkulisse. Beide tragen bunte Schneeanzüge, in Nabelhöhe gegurtet. Er blinzelt unter der Schirmmütze und einer Goldrandbrille hervor. Ihr glückliches Lächeln wird gerahmt von einer Dauerwelle. Im Hintergrund: andere Skifahrer – und Tannen. Auf der Rückseite des Fotos im Panoramaformat steht in verblassender Schrift: „Hallo, ihr lieben Berliner Dirk und Dirk, dank eures goldenen Teppichs sind wir zu richtigen Skihasen geworden.“

Dirk Langusch steckt das Bild wieder an die Pinnwand, zu hunderten anderer, ähnlicher Postkarten und Fotos. Der 38-Jährige ist der Herr des „goldenen Teppichs“, Geschäftsführer der Indoor- Skihalle „Der Gletscher“ in Pankow. Dort ist der sagenhafte Teppich zu besichtigen und zu benutzen: Er sieht eher aus wie gelblicher Kunstrasen und bedeckt drei schräg gestellte Laufbänder. Fünf Meter breit sind diese künstlichen Pisten – und, wenn man so will, die längsten der Welt. Denn sie bewegen sich wie das Laufband an der Supermarktkasse in einer Endlosschleife. Fällt ein Skischüler hin, endet die Piste abrupt. Dann stellt Dirk Langusch oder einer seiner Skilehrer schnell einen Hebel auf „Stopp“.

Dunkle Holzbalken, ein mit Stroh überdachter Tresen, riesige Kuhglocken, Trachtenhüte – für Lokalkolorit ist gesorgt, Zillertal in Berlin. Vor acht Jahren hat er mit seinem Geschäftspartner Dirk Kotoll die ehemalige Fabrikhalle an der Berliner Straße fürs Trocken-Skifahren umfunktioniert. Die Idee dazu stammt aus Amerika. Die beiden Skilehrer entdeckten die Ski-Laufbänder bei einem Skiurlaub in den Rocky Mountains. In den USA wurden sie verwendet, um die Leistungsfähigkeit von Skiläufern wissenschaftlich zu testen.

„Das Training hier hat tierische Vorteile“, sagt Langusch. Dreimal zehn Minuten auf dem Band sind so anstrengend wie ein ganzer Tag am Berg. Und der Lehrer kann jeden Schwung sofort kommentieren. „Im Schnee erzählt man der Bande erst unten, was sie am Hang falsch gemacht hat – bis dahin hat man schon wieder die Hälfte vergessen.“

Spricht er über seine Anlage und das Skifahren im Allgemeinen, redet er schnell und viel. Fragt man ihn aber nach Persönlichem, weicht er gern aus: Wie ist er als Berliner zum Zillertaler Skilehrer geworden und warum hat er wieder aufgehört? Er zuckt die Achseln und meint, dass man so was halt mal macht, aber eben auch nicht ewig. Acht Jahre in den Alpen hätten schon gereicht. Dass er nebenbei eine Werbeagentur hatte und schon mit vier Jahren zum ersten Mal auf den Brettern stand, lässt er sich nach einiger Zeit entlocken. „Mein Vater hat mir einfach die Skier angeschnallt. Mit Skischule war da nichts.“

Was aber ist nun so faszinierend am Skifahren? Vor allem: allein Skitouren zu machen, meint Langusch. „Weil mir da keiner auf den Senkel geht. Da latschst du morgens früh den Berg hoch und fährst halt einfach runter.“ Zwischendurch läuft Langusch immer wieder hierhin und dorthin. Manchmal sogar außer Sichtweite. Im Stehen kippelt er vor und zurück. Oder er hechtet zu einem der beiden Telefone, die ständig klingeln. Stillhalten kann er nicht.

Sechs bis acht Wochen pro Jahr verbringt er im Schnee. Er hat ja noch seinen Partner, der ihn dann in der Halle vertritt. Weiße Weihnachten sind ihm nicht so wichtig. Zu Heiligabend will er nur eines: bloß keine Gänsekeule. Die gab es nämlich ständig im Advent bei den vielen Weihnachtspartys und Betriebsfesten, die in seiner Halle gefeiert werden. Irgendwie mag er diese Ski-Feste aber trotzdem: „Das ist für die Leute auf jeden Fall besser, als bowlen zu gehen.“

„Der Gletscher“, Berliner Straße 21, Pankow Tel. 47 99 81 3 www.der-gletscher.de

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