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Berlin: Angeklagte aus Mangel an Beweisen freigesprochen

"Die Ermittlungen der Kripo waren wieder mal unter aller Kanone", schimpfte der Staatsanwalt und beantragte sichtlich frustriert einen Freispruch für Lars B. und Martin S.

"Die Ermittlungen der Kripo waren wieder mal unter aller Kanone", schimpfte der Staatsanwalt und beantragte sichtlich frustriert einen Freispruch für Lars B. und Martin S. Die beiden zur Tatzeit 19 und 21 Jahre alten Männer, die sich selbst als Hooligans bezeichnen, mussten sich am Mittwoch vor dem Amtsgericht wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung verantworten. Die Anklagebehörde hatte Lars B. und Martin S. - beide bekennende BFC-Dynamo-Fans - zur Last gelegt, am 19. Dezember 1998 drei Anhänger des Fußballvereins FC Hansa Rostock überfallen und "an der Gesundheit geschädigt" zu haben.

Es war gegen 21.45 Uhr, als die beiden jungen Männer an diesem Dezemberabend am S-Bahnhof Ostkreuz auf ihre traditionellen Widersacher von Hansa Rostock stießen. Der 28 Jahre alte Andre L., der in eigener Sache als Zeuge vernommen wurde, erinnerte sich nur an einen heftigen Faustschlag, dem ein nicht minder heftiger Fußtritt folgte, bevor er das Bewusstsein verlor.

Unterdessen soll der Angeschuldigte Martin S. einen anderen Zeugen auf die gleiche Weise misshandelt haben. Erst als die Mitarbeiter einer von der S-Bahn beschäftigten Sicherheitsfirma am Tatort erschienen und der Wachmann Jörg G. den tobenden S. kurzerhand in den Schwitzkasten nahm, entspannte sich die Situation. Nach der Festnahme der Hooligans ergab eine Blutentnahme, dass Lars B. mehr als zwei und sein Kumpel Martin S. knapp ein Promille Alkohol im Blut hatte.

Bei ihrer eigenen Einlassung spielten die beiden Angeklagten ihre individuelle Schuld so weit wie möglich herunter. B. will überhaupt nichts getan haben, weil er sich zur Tatzeit im unentrinnbaren Schwitzkasten des Sicherheitsmannes befunden haben will. S. berief sich angesichts der amtlich festgestellten Alkoholkonzentration auf einen alkoholbedingten Blackout. Auch die als Zeugen geladenen Geschädigten konnten sich nicht mehr daran erinnern, wer von den beiden eher unscheinbar wirkenden Angeschuldigten zugeschlagen hatte.

So erinnerte sich der 30-jährige Rene L. zwar, wie ihm jemand den Fan-Schal herunter gerissen habe, bevor er "eine draufgekriegt" habe, dass ihm die Brille wegflog. Aber als Zeuge war er schon deshalb nicht hilfreich, weil er mit seiner Brille - acht Dioptrien - auch vorher schon nicht viel sehen konnte.

Das schlimmste Versäumnis hatte nach Auffassung der Staatsanwaltschaft allerdings die Polizei bei ihren Ermittlungen zu verantworten. Sie hatte den Zeugen lediglich Fotos der beiden Beschuldigten mit den Worten: "Kennen Sie die?" unter die Nase gehalten, anstatt ihnen eine Auswahl von Fotos vorzulegen und sie selber die Täter heraussuchen zu lassen.

Die Angeschuldigten nahmen die Resignation des Anklagevertreters mit Erleichterung zur Kenntnis. Schließlich ist insbesondere Lars B. mit einem dermaßen umfangreichen Registerauszug vorbelastet, dass selbst die Jugendgerichtshilfe im Falle seiner Verurteilung für eine Jugendstrafe eintrat. Neben Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Diebstahl und mehreren Fällen von Körperverletzung, wurde er auch wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Auch Martin S. stand schon wegen Körperverletzung und Nötigung vor Gericht.

In seinem kurzen Plädoyer bezeichnete der verärgerte Staatsanwalt einen Freispruch aus Mangel an Beweisen als einzige "saubere Lösung". Dem schloss sich die Richterin an und sprach die beiden Hooligans auf Kosten der Staatskasse frei.

Peter Murakami

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