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Stille Andacht. Es war der erste Gottesdienst bei den Kopten nach dem Anschlag.

© Martin Daske

Anschlag auf Kopten in Berlin-Lichtenberg: Feuer in Kirche: „Ich bin schockiert über den Anschlag"

Am Sonnabend wurde ein Anschlag auf das Gotteshaus der Kopten in Lichtenberg verübt. Zuvor wurde vier Mal eingebrochen. Die Gemeindemitglieder sind verunsichert. Ein Besuch beim Gottesdienst.

Es ist still am Sonntagmorgen vor der koptischen Kirche, St. Antonius und St. Shenouda, in Lichtenberg. Vor dem rußgeschwärzten Tor, auf das am Samstag ein Brandanschlag verübt worden ist, brennen Kerzen.
Drinnen haben sich etwa 80 Menschen zum Gottesdienst versammelt. Der Zusammenhalt der Gemeinde tue jetzt gut, sagen einige. „Wir sind erstaunt über diesen Anschlag“, sagt Ramses Ibrahim vom Vorstand der Gemeinde. Diese sei hier seit 1998 ansässig und habe bisher keine Probleme mit den Nachbarn gehabt. Im Gottesdienst sieht man viele junge Familien mit Kleinkindern. Fast jede Frau trägt ein weißes Kopftuch mit einer Heiligen-Abbildung.
Es hat sich in der kleinen Gemeinde schnell herumgesprochen, dass heute der Generalbischof der koptisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, Anba Damian, die Predigt hält. Er ist aus dem Kloster Höxter, seinem Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen, angereist.

„Ich bin schockiert über den Anschlag“, sagt er. „Seit 33 Jahren lebe ich in Deutschland und habe eine Aggression dieser Intensität bisher noch nicht erlebt.“ Anba Damian schreitet den gesamten Mittelgang mit einem Weihrauchgefäß auf und ab. Nach und nach erfüllt der Duft die ganze Kirche. Fast vier Stunden dauert der Gottesdienst. Die Liturgie wird abwechselnd auf deutsch, arabisch und koptisch gesprochen und gesungen. In allen drei Sprachen werden die Texte auch auf eine Leinwand projiziert.

Ob die koptischen Christen auch Erntedankfest feiern? „Nein“, sagt Bischof Damian, „wir danken jeden Tag für die Früchte der Erde und das Wasser des Himmels. Außerdem spenden wir ein Zehntel unseres Einkommens.“ Der Predigttext stammt aus dem siebten Kapitel des Lukasevangeliums, Verse 36-50. Es geht um eine stadtbekannte „Sünderin“, vermutlich eine Ehebrecherin oder eine Prostituierte. Sie erscheint ohne Einladung im Haus des Pharisäers Simon, wo Jesus zu Gast ist. Der Gastgeber ist empört, dass Jesus sie nicht zurückweist, sondern sich von ihr die Füße salben lässt. Dieser meint jedoch, die Frau habe richtig gehandelt und vergibt ihr ihre Sünden. Bischof Anba Damian folgert daraus: „Missachtet niemanden, achtet nicht auf Äußerlichkeiten, seid nicht mit dem Mainstream.“ Die Bibelverse riefen zu „Liebe, Bescheidenheit und Treue“ auf.

Es gab schon vier Einbrüche in die Kirche

Anba Damian hat den Brandanschlag in seiner Predigt mit keinem Wort erwähnt, und doch ist er das vorherrschende Thema vor und nach dem Gottesdienst. Eigentlich habe man hier keine Feinde, so der Tenor. Und dennoch: In diesem Jahr gab es vier Einbrüche in die Kirche. Dabei wurden unter anderem sakrale Gegenstände sowie Regenwasser-Rinnen aus Kupfer gestohlen. Der Priester der koptischen Gemeinde in Berlin, Girgis el Moharaky, sei von arabisch sprechenden Bewohnern des nah gelegenen Asylbewerberheims mehrmals beschimpft worden. „Bei den Einbrüchen in diesem Jahr ging es um Wertgegenstände“, meint die 71-jährige Lucy. „Das hier ist nun etwas anderes.“ Sie habe nicht um sich Angst, sondern um die Kirche, meint die 16-jährige Marina aus Ägypten. Sie lebt seit einem Jahr hier, inzwischen mit anerkanntem Asylantrag.

Er sei niemand, der gern jammere, sagt Anba Damian. „Dass wir hier überhaupt Fuß fassen konnten, ist nicht selbstverständlich.“ Die Mehrheit der Deutschen sei der koptischen Gemeinde wohlgesonnen. Er habe nach dem Anschlag durch Anrufe, SMS, E-Mails und das Medienecho sehr viel Solidarität erfahren – auch von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit sowie von Innensenator Frank Henkel. Dafür sei er dankbar. Damian will nun nach vorne schauen, noch öfter als bisher nach Berlin kommen und eng mit Polizei und Justiz zusammen arbeiten. Das Überwachungs- und Alarmsystem der Kirche müsse verbessert werden, um einen Anschlag wie den vom vergangenen Freitag zu verhindern. „Doch die Sorge, dass sich das wiederholt“, meint der Bischof, „die haben wir alle.“

Carmen Gräf

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