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Gewaltbereit. Autonome Demo in Kreuzberg.

© Kai-Uwe Heinrich

Antifaschistische Linke Berlin: Einpeitscher der Maikrawalle lösen sich auf

Jahrelang heizten sie bei den ,,Revolutionären Mai-Demos" in Kreuzberg die Menge auf - doch nun treten sie ab: Die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) löst sich auf und übt massive Selbstkritik. Die ALB war die rabiateste Gruppe der linken Szene Berlins.

Von Frank Jansen

Der Ton klingt melancholisch. „Unsere Gruppe war nie ein homogener Zusammenschluss, wie es vielleicht für Außenstehende aussah“, schreibt die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) im Internet. Sie spricht von „Ratlosigkeit, Resignation und Austritten“ und sieht eine ganze Spezies in Gefahr: die radikale Linke in Deutschland und weiten Teilen Europas befinde sich „in einer Schockstarre“. Der Text ist mutmaßlich der letzte, den die ALB veröffentlicht hat. Elf Jahre nach ihrer Gründung verkündet nun eine der rabiatesten Gruppen der linken Szene Berlins ihre Auflösung. Die ALB, die jahrelang bei der „Revolutionären Mai-Demo“ in Kreuzberg von einem Truck aus mit Tiraden und Techno die Menge für das Gefecht mit den „Bullen“ aufheizte – sie ist nicht mehr.

Statt Angriff gab es Stillstand

Zermürbt von internem Streit, aber auch fähig zur Einsicht, trotz permanenter Lautstärke keinen größeren Anklang jenseits des eigenen Milieus gefunden zu haben, präsentiert die ALB jetzt ihre eigene Grabrede. Man habe sich „politisch vor allem in den Bereichen Antifaschismus und soziale Kämpfe verortet“, heißt es, doch die alte Parole „Antifa heißt Angriff“ sei „eher als Stillstand und Phrasendrescherei zu werten“. Und es sei verpasst worden, „an entscheidenden Fragen der Zeit zu intervenieren und größere Zusammenhänge, beispielsweise zu imperialer Politik, zum Militarismus des Westens, zu Neokolonialismus, zu Sozialchauvinismus und kapitalistischer Ausbeutung, zu erklären“.

Der Berliner Verfassungsschutz reagiert kühl. Die Auflösung komme nicht überraschend, sagt der Chef der Landesbehörde, Bernd Palenda. Die zuletzt auf 30 bis 40 Mitglieder taxierte Gruppe sei nach internen Zerwürfnissen und einem „Spitzelvorwurf“ bereits 2012 zeitweise handlungsunfähig gewesen. Ihre dominierende Rolle in der Szene habe die ALB damals eingebüßt. Palenda hält den Niedergang allerdings auch für einen exemplarischen Umbruch, der anderen Gruppierungen noch bevorstehe.

Die gesellschaftliche Isolation wurde nicht überwunden

Zerbrochen sei die ALB an der Uneinigkeit darüber, ob man eine autonome Gruppierung mit dem Schwerpunkt ,Antifa’ bleibe oder versuche, mit einem weniger martialischen Auftreten „die gesellschaftliche Isolation traditioneller Autonomer zu überwinden“. Palenda spricht von „postautonomen Organisierungsstrategien“ und skizziert damit eine Entwicklung, die auch in Teilen des rechtsextremen Spektrums zu beobachten ist. Wer in größere gesellschaftliche Gruppierungen vordringen will, muss auf die Hau-drauf-Attitüde als Hasskappenmacho oder Skinhead verzichten. Wer politisch ernst genommen werden will, agiert heute als bürgerlich auftretender Populist und nicht als Bürgerschreck.

Die ALB hatte geglaubt, sie könne authentisch autonom bleiben und dennoch über die Szene hinaus wirken. Die Illusion war nicht ganz unverständlich, da Sozialdemokraten, Grüne, Gewerkschafter und andere demokratische Nazi-Gegner die ALB in Bündnissen gegen Rechts mitmachen ließen. Dort wurde die Frage, wie glaubwürdig ein Engagement mit linken, gewaltorientierten Extremisten gegen rechte Extremisten sei, ungern gehört. Die ALB blieb allerdings trotz der Bündnisse eine Randerscheinung.

Verfassungsschutz: Szene ist nicht schlagartig geschwächt

Auch nach dem Ende der Gruppe erwartet der Verfassungsschutz nicht, dass die linksextreme Szene schlagartig geschwächt ist. Die Mitglieder der ALB würden „sich zum Teil in gewaltbereiten autonomen Kleingruppen wiederfinden“, sagt Palenda. Bei anderen Aktivisten prophezeit er stärkeren Einsatz im Netzwerk der „Interventionistischen Linken“, das nach außen gemäßigter auftrete. Die ALB kündigt an, „die allermeisten von uns wollen auch weiterhin politisch aktiv sein!“ Sei es „in der postautonomen Großorganisation, in der klassischen linksradikalen Gruppe oder in anderen, autonomen, antifaschistischen oder linksradikalen Zusammenhängen“.

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