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Berlin: Anziehende Wirkung

Eine landesweite Anlaufstelle für Investoren allein reicht nicht, sagen die Bezirke – und verweisen auf lokale Erfolge

Ohne regionale Wirtschaftsförderung geht es nicht. Die vom Senat eingerichtete One-Stop-Agency als zentrale Anlaufstelle für potenzielle Hauptstadt-Investoren wird von den Bezirken zwar begrüßt, doch reicht sie aus ihrer Sicht nicht aus. Wie berichtet, hat die Industrie- und Handelskammer gefordert, die kommunalen Verwaltungen weitgehend zu entmachten. Den Vorwurf, Entwicklungen zu bremsen, weisen die Bezirke entschieden zurück.

Die Genehmigung zum Neubau der internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG im Köbis-Dreieck wurde in Mitte binnen eines Vierteljahres erteilt. „Das kann die Senatsebene nicht leisten“, sagt Wirtschaftsstadtrat Dirk Lamprecht (CDU). Wozu ein Bezirk in der Lage sei, zeige auch das Anschütz-Großprojekt mit der Berlin-Arena am Ostbahnhof, betont sein Kollege Lorenz Postler (SPD) in Friedrichshain-Kreuzberg. In Reinickendorf hat man durch Verhandlungen mit der Deutschen Bahn die Stilllegung eines Gleises verhindert und so die Ansiedlung einer Waggonbaufirma und einer Lackiererei ermöglicht. „Das ist ganz klare Kommunalpolitik“, so Bürgermeisterin Marlies Wanjura (CDU).

Dabei gibt es je nach Standort unterschiedliche Philosophien. „Wir haben nie danach gefragt, ob es stinkt, pufft oder knallt“, sagt Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD). Dagegen muss Stadtrat Lamprecht in Mitte bisweilen schon mit seiner für das Ressort Stadtentwicklung, Umwelt und Natur zuständigen Kollegin Dorothee Dubrau (B’90/Grüne) darüber diskutieren, „ob es nicht sinnvoll ist, bestimmte Dinge im Interesse eines Investors zuzulassen“.

Im Abgeordnetenhaus haben die Christdemokraten eine Initiative gestartet, die Bezirke an den Gewerbesteuereinnahmen zu beteiligen. Das wäre ein zusätzlicher Anreiz, eine aktive Wirtschaftspolitik zu betreiben, meint Marlies Wanjura. Reinickendorf gilt hier als Musterbezirk, hat eine eigene Stabsstelle für Wirtschaftspolitik geschaffen.

Viele Bezirke versuchen, durch gezielte Akquise branchenmäßige Schwerpunkte zu setzen. So wirbt Charlottenburg-Wilmersdorf um Anwaltskanzleien und Steuerberater, die eine „über Berlin hinaus bekannte Adresse suchen“, und die Filmbranche. „Was die Zahl der Produktionsfirmen betrifft, sind wir noch vor München der größte Standort in Deutschland“, so Stadtrat Bernhard Skrodski (FDP). In Mitte, wo man besonders in Wedding und im Moabiter Westen über Potenziale verfügt, entwickelt sich ein Zentrum der IT- und Automobilbranche. In Reinickendorf sind die Verkehrsindustrie und Pharmafirmen stark vertreten. Und in Treptow-Köpenick setzt man auf die Ansiedlung kleiner, innovativer Firmen, die mit den örtlichen Forschungseinrichtungen zusammen arbeiten.

Für die internationale Investorensuche auf internationalem Parkett und als zentrale Anlaufstelle für ortsunkundige Interessenten macht die „One-Stop-Agency“ Sinn, ist die Meinung in den Bezirken. „Global Player wie MTV“ nach Berlin zu holen, sei Aufgabe des Landes, sagt Lorenz Postler. Wenn der Senat aber, wie einst erwogen, selbst ein 20-Betten-Hotel zur Angelegenheit von gesamtstädtischer Bedeutung mache, sei das nicht akzeptabel. „Wir müssen wegkommen von den Grabenkämpfen und hin zu mehr Kooperation zwischen Hauptverwaltung und Bezirken.“ In strittigen Fragen wie der Diskussion um Mauerpark oder Bebauung an der East Side Gallery sei die vom Rat der Bürgermeister vorgeschlagene Schiedsstelle sinnvoll.

„Wir brauchen eine vernünftige Aufgabenteilung“, fordert auch Klaus Ulbricht (SPD), Bürgermeister von Treptow-Köpenick. Die Bestandspflege kleiner und mittelständischer Unternehmen sei zentral nicht zu gewährleisten. Aus EU-Mitteln finanziert man hier eine „aufsuchende Beratung“ der Firmen. Andere Bezirke bieten ähnliche Unterstützung für Betriebe, die ins Trudeln geraten sind oder wegen Expansionsplänen ins Umland abzuwandern drohen. Auch in anderen Bereichen wie dem Geschäftsstraßenmanagement und den in jüngster Zeit stadtweit laufenden, regionalen Tourismusprojekten stellen angesichts der leeren Hauptstadt-Kassen europäische Fonds die einzige Finanzierungsquelle dar. Um diese Möglichkeiten voll ausnutzen zu können, hat beispielsweise Reinickendorf den Posten einer eigenen EU-Beauftragten geschaffen.

Rainer W. During

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