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Berlin: Architektur: Schlichte Eleganz

Die neue Vergangenheitsseligkeit, die man im Zusammenhang mit aktueller Architektur - das Hotel Adlon sei Zeuge - allenthalben beobachtet, ist grundsätzlich erstmal keine sehr positive Entwicklung, aber sie kann Positives zutage fördern. Einer der größten Schätze, die in Berlin diesbezüglich gehoben werden können, ist das Erbe Alfred Grenanders.

Die neue Vergangenheitsseligkeit, die man im Zusammenhang mit aktueller Architektur - das Hotel Adlon sei Zeuge - allenthalben beobachtet, ist grundsätzlich erstmal keine sehr positive Entwicklung, aber sie kann Positives zutage fördern. Einer der größten Schätze, die in Berlin diesbezüglich gehoben werden können, ist das Erbe Alfred Grenanders. Der Reprint einer Monographie über den schwedischen Berliner mag dafür ein Werkzeug sein. Alles andere als ein Revolutionär oder Bilderstürmer, vermochte jener Grenander zwischen 1908 und 1930 es doch, der Frühmoderne seinen Stempel aufzudrücken und das Stadtbild nachhaltiger zu prägen als selbst Schinkel. Dabei ist es nicht ohne Ironie, dass jene Architekten, die um die vorletzte Jahrhundertwende ihre berufliche Karriere in der deutschen Reichshauptstadt begannen, sich vor allem um die "Befreiung von der Diktatur des Kunsthistorikers" (Martin Richard Möbius) kümmern mussten, um einen wirklich zweckmäßigen, modernen Stil entstehen lassen zu können. Heute verhält es sich eher umgekehrt: Es sind eher (Kunst-)Historiker, die mit der Wiederinkraftsetzung ausgewählter Lösungen Fingerzeige und Wegmarken für die weitere Entwicklung geben.

Alfred Grenander ist sicherlich jemand, dem hier Ehre widerfahren sollte. Hat er doch - namentlich mit seinen Bauwerken für die Berliner Verkehrs-Aktiengesellschaft - Exempel statuiert, die noch heute Bestand haben und die Zukunft beeinflussen können. Bereits seine ersten Entwürfe offenbaren Grenanders Tendenz zu einer unpathetischen, funktional-angemessenen, mitunter etwas spröden und doch zugänglichen Ästhetik. Wesentliche Charakteristika sind ein schlichter, beinahe elegant geprägter Stil, eine gewisse Vorliebe für das handwerklich Gediegene, wobei er auf bloße Dekoration oder Applikation immer verzichtete. Seine Villen, wie Haus Zangemeister in Neu-Westend oder Haus Dr. Waldschmidt in Grunewald, sind augenscheinlich stark beeinflusst von der englischen Landhausbewegung. Die Maschinenfabrik Ludwig Loewe in Moabit, aber auch das Knorr-Bremse-Werk am Ostkreuz, kraftvolle, backsteinerne Pfeilerarchitekturen, offenbaren sich eindeutig als Frühwerke, halten indes gekonnt die Balance zwischen Monumentalität und Zweckmäßigkeit. Die Stringenz der Siedlung Friedrichsfelde und die schwungvolle Grandezza des Metropol-Theaters (1928) sprechen da schon eine andere Sprache. Insgesamt zeigt sich eine Entwicklungsgeschichte, die vom klassizistisch inspirierten U-Bahnhof Wittenbergplatz (1913) zum Bekenntnis für das Neue Bauen bei den Bahnhöfen Ruhleben und Krumme Lanke (1929) führt. Das Umformerwerk in der Hermannstraße, ein expressives, etwas düsteres Backsteingebilde, sowie das in der Bastianstraße, das dezidiert modern und mit rationalistischem Kalkül auftritt, runden ein beeindruckendes Oeuvre. Und sein Bürohaus in der Kaiser-Wilhelm-Straße wirkt auf dem Photo, als sei es soeben von Jürgen Sawade oder anderen Zeitgenossen entworfen worden.

Übersichtlichkeit, Klarheit, Solidität waren zentrale Begriffe seines Schaffens; seine Aufgaben löste er so rational wie weltmännisch. Greander hielt die gleiche Distanz zur revolutionären Moderne wie zum Historismus oder jene Ausschweifungen kunstgewerblicher Art, die seinerzeit Mode waren. Ihm ging es um eine einheitliche, aber eben auch künstlerische Konzeption des Ingenieurbaus, wobei Grenander als eine Art "Komplettdesigner" der BVG weit mehr bot und gab als eine "corporate identity". Der Kompromiss zwischen Kunst und Konstruktion war für ihn Ausgangsbedingung für die stetige Weiterentwicklung jeder (Bau)Aufgabe. Allein die Beispiele der Bahnhöfe Nollendorfplatz und Neukölln, wo in drei Geschossen doppelspurige Schnellbahnlinien verkehren, machen unmittelbar anschaulich, wie komplex die Aufgabe bis in die Details der Raumbildung und wie notwendig eine ganzheitliche Herangehensweise war.

Eine Architektur, die weiterhin die Kleider der Avantgarde trägt, ohne sich zu fragen, wohin sie geht und warum, wäre gut beraten, sich dieses maßstabsetzenden Beispiels nochmals zu entsinnen. Aber auch jenem, der nur mal an einer Reihe Bilder sich ergötzen will, sei der Band empfohlen. Vorausgesetzt, er bringt das nötige Kleingeld mit.

Robert Kaltenbrunner

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