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Berlin: Arm sein, sexy wohnen

Im Zentrum konkurrieren Eliten und Prekariat

In Berlin verschärfen sich die Gegensätze, unten und oben, reich und arm, gute und schlechte Jobs driften auseinander – die „Polarisierung in der Stadt“, sagt Hartmut Häußermann von der Humboldt-Universität, nimmt zu.

Das Problem dabei ist: Der Lebensstil der gut bezahlten städtischen Elite ist derselbe wie der des „wissenschaftlich-kulturellen Prekariats“. Deshalb konkurrieren die beiden Gruppen um denselben Wohnraum. Wer aber in Berlin wohnt und in die informelle Kommunikation einbezogen sein will, der muss im Zentrum leben, in Mitte oder Prenzlauer Berg, in Friedrichshain oder Kreuzberg. Doch für alle ist im Zentrum nicht mehr genug Platz. Deshalb steigen die Mieten.

Die Aufspaltung der Einkommen und des Wohnungsmarktes sind ein typisches Merkmal der „Dienstleistungsökonomie“, sagt Häußermann. Eine ganze Schicht von industriellen Arbeitnehmern, die in Berlin vor zwanzig Jahren bei Produktionsbetrieben mit sicheren Jobs gutes Geld verdienten, ist so wie ihre Arbeitgeber verschwunden. An ihre Stelle trat die große Zahl schlecht qualifizierer und bezahlter Dienstleister in Gastronomie und Hotellerie, im Transport- und Reinigungsgewerbe oder im Gesundheitswesen. Außerdem gibt es die gut qualifizierten Kreativen, die sich von einem mäßig bezahlten, zeitlich befristeten Projekt zum nächsten hangeln.

Für dieses wissenschaftlich-kulturelle Prekariat ist eine Wohnung im Zentrum nicht nur schick, sondern auch ein Muss. Denn in den Cafés und Restaurants, bei Vernissagen oder Events werden die Kontakte geknüpft, die man für das nächste Projekt braucht. Häußermann nennt dies einen „öffentlichen Lebensstil“, und der sei existenziell notwendig. Eine Wohnung am Stadtrand würde diese Gruppe von Kontakten und Projekten abschneiden, von ihren Einkommensquellen also.

Diese jungen Kreativen konkurrieren um den Wohnraum im Zentrum mit der noch kleinen Elite hochqualifizierter Spezialisten in den gut bezahlten Jobs: Unternehmensberater, Lobbyisten, hohe Beamte, Diplomaten. Sechzig Prozent der Townhouses in den Prenzlauer Gärten wurden bar bezahlt – meistens von wohlhabenden, jungen Erben um die 30. Auch Beamte aus dem Regierungstross kauften Townhouses, die aber lieber auf Kredit. Weil sie unkündbar sind und hohe Bezüge haben, zahlen sie niedrige Zinsen.

Diese dünne Schicht von Neuberlinern, die nach Überzeugung der Bauträger von Townhouses den Luxus wollen, zieht es auch ins Zentrum. Denn sie wollen den „Feinkostladen“ und den Italiener vor der eigenen Haustür haben und sind auch gerne bei den Ausstellungseröffnungen dabei. Sie wollen außerdem kurze Wege zur Arbeit, denn Fahrzeit ist eben auch Geld.

Und wenn sich zwei Mitglieder dieser städtischen Elite zu einer Lebensgemeinschaft zusammenfinden, dann ist ein Umzug in die Vorstadt erst recht ausgeschlossen. „Das hat nichts mit Mode zu tun, sondern mit dem grundlegenden Wandel des Leitbildes der Frau“, sagt Häußermann. Wie der Mann stehe die Frau mitten im Erwerbsleben. Kinder und Kultur, Arbeit und Freizeit müssen in den durchgeplanten Tagesablauf eingepasst werden. Das setze perfekte Infrastruktur voraus, die es so nur in der Innenstadt gebe. Die Vorstadt, so Häußermann, hatte nur so lange eine Zukunft, wie Frauen die Rolle der Hausfrau übernahmen. Diese Zeiten sind vorbei.

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