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Berlin: Arztpraxis mit Suppenküche

Am Ostbahnhof und in Lichtenberg werden kranke Obdachlose behandelt – Spenden sind nötig

Der 49-jährige Mann in schwarzen Jeans und grauem Strickpulli grinst erleichtert. Diesmal musste kein Zahn gezogen werden. Aus seiner Hosentasche kramt er einen schmutzigen Zettel hervor. Darauf stehen Behandlungstermine. An den Kreuzchen kann man ablesen, dass er bisher jeden Termin eingehalten hat. Das schaffen nicht alle Patienten der Arzt- und Zahnarztpraxis für Obdachlose am Bahnhof Lichtenberg. Sein Freund hat nur noch im Unterkiefer Zähne und sagt: „Die können ruhig raus, ich ernähre mich nur noch von Flüssigem.“

Jeder Patient wird zuerst auf Herz und Lunge und vor allem auf die Promille im Blut untersucht. Manchmal stellt sich heraus, dass der Kreislauf für eine Narkose zu schwach ist. Dann wird der Zahn ohne Betäubung gezogen. Hanna Koisman und Kirsten Falk sind die beiden Zahnärztinnen, die seit drei Jahren hier arbeiten. Kirsten Falk wurde vor einer Woche für ihre ehrenamtliche Arbeit vom Bundespräsident mit der Verdienstmedaille ausgezeichnet.

„Normalerweise gehen Leute zum Zahnarzt, weil sie ein Gesundheitsbewusstsein haben“, sagt Falk, „Obdachlose kommen erst, wenn die Backe dick ist wie ein Ballon.“ Die ungewaschenen und oft angetrunkenen Obdachlosen sind für andere Arztpraxen nicht „wartezimmertauglich“. Außerdem sind nur etwa zehn Prozent von ihnen versichert. Deshalb erweiterte die Trägerorganisation „Mut – Gesellschaft für Gesundheit“ vor drei Jahren die schon seit längerem bestehende medizinische Betreuung von Obdachlosen an den Bahnhöfen Lichtenberg und Ostbahnhof um zwei Zahnarztpraxen. Es sind bundesweit die einzigen Anlaufstellen für kranke Obdachlose. Im ersten Jahr wurden hier 1400 Patienten kostenlos versorgt, vergangenes Jahr waren es 2300.

Hier muss sich niemand für seine ungeputzten Zähne rechtfertigen oder für den Alkohol im Blut. Außerdem lockt viele gerade im Winter die Suppenküche und die Kleiderkammer im Erdgeschoss an. Dort gibt es auch einen Aufenthaltsraum, wo an diesem Vormittag Männer Karten spielen. Vor einem Jahr haben die Leute von „Mut“ hier für Hunderte Obdachlose eine Weihnachtsfeier abgehalten. Das wollen sie auch dieses Jahr machen. Für die Feier und ein paar Geschenke wie Socken, Unterwäsche und Plüschtiere („Sie glauben gar nicht, wie sehr sich gestandene Männer darüber freuen…“) wünscht sich die Einrichtung Geld. Außerdem muss dringend ein neues Röntgengerät angeschafft werden, das alte will der Strahlenschutz nicht mehr zulassen.

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