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Berlin: Atlantic taucht wieder auf

Wedding. Seit einigen Wochen verschwinden die grauschwarzen Fassaden der „Gartenstadt Atlantic“ nach und nach hinter Baugerüsten und Plastikplanen.

Wedding. Seit einigen Wochen verschwinden die grauschwarzen Fassaden der „Gartenstadt Atlantic“ nach und nach hinter Baugerüsten und Plastikplanen. Die denkmalgeschützte Wohnsiedlung gegenüber dem Gesundbrunnen-Center wird mit privaten Mitteln restauriert. Rund 30 Millionen Euro wollen die Besitzer der „Gartenstadt Atlantic AG“ in die vom Verfall bedrohte Anlage aus den zwanziger Jahren investieren. Die 50 Häuser mit knapp 500 Wohnungen werden zu 80 Prozent von türkischen Mietern bewohnt. Die Arbeiten werden voraussichtlich bis zum Jahr 2005 dauern.

Die „Gartenstadt Atlantic“ besteht aus drei Blöcken, die um große, begrünte Innenhöfe angeordnet sind. Einige der geschlossenen Häuserfronten entlang der Heidebrinker und Zingster Straße wirken noch trist und schmucklos. Das Grauschwarz zeugt nicht vom letzten Anstrich, sondern vom Ruß und vom Dreck der letzten Jahrzehnte. Noch werden die Wohnungen mit Kohle-Öfen beheizt; die Badezimmer sind zum Teil nur eineinhalb Meter schmal.

Nicht nur die Wohnungen und die begrünten Höfe werden nun unter den wachen Augen der Denkmalschützer den heutigen Standards angepasst. Auch die Fassaden werden – nach und nach – aufgehellt. Die Häuser an der Behmstraße bekommen zudem Vorgärten mit Sitzbänken. „Die Gartenstadt Atlantic wird ein „nationales integrations- und sozialpolitisches Vorreiter-Projekt, das Kulturen, Religionen und Generationen miteinander verbinden soll“, verspricht der Vorstand der Gartenstadt Atlantic AG, der ungenannt bleiben möchte. Ein deutsch-jüdisches Partnerschaftsprojekt soll in der Gartenstadt seinen Sitz haben. Die deutsch-jüdische Zeitschrift „Der Aufbau“ hat hier schon ihr Büro bezogen. Wo einst die Wiege von Hertha BSC stand, soll ein kleiner Shop entstehen.

Der Architekt Rudolf Fränkel war 1925 ambitioniert an die Gestaltung der Wohnsiedlung gegangen. Er schaute sich die Idee von Ebenezer Howard ab. Der Brite war Ende des 19. Jahrhundert der geistige Vater der „Gartenstadt“-Idee: „Eine Gartenstadt ist eine Stadt, die für gesundes Leben und Arbeiten geplant ist.“

So entstanden auf dem Gelände der „Atlantic Handels AG am Bahnhof Gesundbrunnen“ rund 1000 Wohnungen mit großzügigen Innenhöfen. Man wollte für die Unterschichten vernünftigen Wohnraum mit bezahlbaren Mieten schaffen. Doch nicht nur das: Fränkel baute auch das berühmte Lichtburg-Kino an der Behmstraße Ecke Heidebrinker Straße, das 1930 eröffnet wurde. Den deutsch-jüdischen Besitzer des Atlantic-Areals drohte 1936 die „Arisierung“ der Gartenstadt. Um ihr zu entgehen, verschenkten die Besitzer die Atlantic-Aktien an Freude und flohen. Erst nach unzähligen Gerichtsverfahren erhielten sie ihr Eigentum nach 1945 zurück – teilweise.

Nun wird die „Gartenstadt Atlantic“ ganz im Sinne Fränkels und Howards restauriert. Das 1970 abgerissene Kino „Lichtburg“ entsteht neu – als Coffee Shop mit Studiobühne für Kleinkünstler. Suzan Gülfirat

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