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Berlin: Auch bei der Verbindung Marzahns und Hellersdorfs gibt es Rivalitäten - Streit um die Chefposten

In fast einem halben Jahr ist es soweit: Die Bezirksverordneten in den neun neuen Großbezirken tagen gemeinsam, um Bürgermeister und Stadträte zu wählen. Spätestens am 1.

In fast einem halben Jahr ist es soweit: Die Bezirksverordneten in den neun neuen Großbezirken tagen gemeinsam, um Bürgermeister und Stadträte zu wählen. Spätestens am 1. Januar 2001 treten diese ihre Ämter an, womit die Bezirksfusion beendet wäre. In der Serie beleuchten wir, wie der Stand der Dinge ist. Dabei offenbaren sich nicht nur bürokratische, sondern auch viele menschliche Probleme.

Wenn sich die zwei großen Neubaubezirke im Osten der Stadt vereinigen, könnte "Plattental" entstehen. Oder vielleicht "Hellerzahn". Denkbar wäre auch "Hellersdorf-Marzahn". Immerhin dürfen die 280 000 Einwohner in den nächsten Wochen ihre Vorschläge einreichen. Und im Herbst soll der neue Name dann feststehen. Eigentlich ganz einfach, wenn nicht ein internes Gerangel ausgebrochen wäre: Während sich Hellersdorfs Bürgermeister Uwe Klett (PDS) für "Wuhletal" ausspricht, favorisiert sein Amts- und Parteikollege Harald Buttler "Marzahn": "Weil das bereits für viele über die Grenzen Berlins hinaus, ein Begriff geworden ist, vor allem für Wirtschaftsunternehmen." Allerdings hat auch Kletts Idee ihre Anhänger, und für die Zukunft des Rathauschefs wäre es auch nicht das Schlechteste, wenn er sich durchsetzte. Denn der PDS-Mann möchte weiter aktiv in der Bezirkspolitik mitmischen. "Ich stehe als Kandidat für das neue Bezirksamt bereit", sagt er. Noch gibt es allerdings keine offiziellen Nominierungen der Parteien. Doch das Hellersdorfer Bezirksoberhaupt hat gute Chancen, nach der Fusion den Bezirk zu führen. Nicht nur die eigenen PDS-Mitglieder, auch die Genossen aus Marzahn stehen hinter dem 40-Jährigen.

Die PDS-Genossen sind verärgert

So gut wie sicher gilt, dass Amtsbruder Buttler nicht mehr als Bürgermeister kandidiert. Er ist zwar noch PDS-Mitglied. Doch seine Marzahner Genossen nahmen ihm übel, dass er zur letzten Wahl für die Linke Demokratische Liste (LDL) antrat. Im neuen Bezirksamt wird, wie bislang auch, die PDS über die absolute Mehrheit verfügen. Sie darf deshalb neben dem Bürgermeister noch zwei Stadträte stellen. Den stellvertretenden Bürgermeister sowie einen Stadtratsposten besetzt die CDU als zweitstärkste Partei. Für die SPD bleibt ein Stadtrat übrig. Natürlich machen sich die Parteien zurzeit Gedanken über die personellen Besetzungen. Öffentlich wird darüber jedoch noch nicht gern gesprochen. So will die Marzahner CDU-Fraktion zwar den bisherigen Umweltstadtrat Wilfried Nünthel vorschlagen, doch der zweite Kandidaten soll erst präsentiert werden, wenn feststeht, welches Ressort die Christdemokraten erhalten. Begründet wird das damit, dass aufgrund der Mehrheitsverhältnisse die PDS die Ressortverteilung im neuen Bezirksamt bestimmt. Die Marzahner Sozialstadträtin Cornelia Reinauer (für PDS) sowie die Hellersdorfer Jugendstadträtin Salomé Kirsten (für PDS) und Umweltstadtrat Heinrich Niemann (PDS) wollen ebenfalls für das neue Bezirksamt zur Verfügung stehen. Zusammen mit Klett wäre man zu viert - also einmal PDS zu viel. Entschieden wird darüber im Herbst.

Jeder hat seine Favoriten

Streit könnte es in den SPD-Kreisverbänden geben, die sich, wie auch die anderen Parteien noch vor der Bezirksfusion zusammenschließen wollen. Sowohl die Hellersdorfer als auch die Marzahner haben ihren Favoriten: Entweder macht Marzahns Wirtschaftsstadtrat Harald Paul oder Hellersdorfs Baustadtrat Bernd Mahlke das Rennen.

Aber nicht nur in den Parteien ist derzeit eine Personaldiskussion im Gange, sondern auch in den Verwaltungen. So wird es im Großbezirk von den bislang 40 kleineren Ämtern nur noch 13 so genannte Leistung- und Verantwortungsbereiche (LuVs) geben. Vor allem in Leitungspositionen wird um den Job gebangt - mit fatalen Folgen: "Die Kollegen sind verunsichert, und oft fühlt sich deshalb keiner mehr so richtig zuständig", beschreibt der Marzahner Personalrat die Stimmung. Natürlich sei in dieser Situation die Ellenbogengesellschaft besonders zu spüren. "Doch gerade jetzt ist Fairness geboten", betont eine Vertreterin des Personalrats. Aus ihrer Sicht müsse sich jeder darauf einstellen, dass der jetzige Arbeitsplatz unter Umständen nicht behalten werden könne. Deshalb sei Flexibilität nötig.

Während sich die Bezirksämter unter anderem schon auf die künftige Verwaltungsstruktur und den Sitz des Bürgermeisters in der "Hellen Mitte" einigen konnten, gibt es jetzt Riesenkrach um das Auswahlverfahren zur Besetzung der neuen Leitungspositionen. So schlägt die SPD vor, "interne Ausschreibungen" durchzuführen. Doch die PDS lehnt das ab, weil bei diesem Verfahren nur statusgleiche Bewerbungen möglich sind. "Niedriger besoldete Beamte aber auch Angestellte kämen demnach nicht für die neuen Führungspositionen in Frage", sagt Bürgermeister Klett. Er plädiert für eine berlinweite Ausschreibung. Eine endgültige Entscheidung zu diesem wichtigen Thema steht noch aus. Klar ist indes die grobe Festlegung der Verwaltungsstandorte festgelegt. Welcher Bereich wohin zieht, wird noch entschieden - unter Federführung von Hellersdorf. Die Marzahner haben dagegen bei der Einführung eines gemeinsamen Computer-Organisationssystems den Hut auf.

Noch schnell eine Bücherei bauen

Allerdings bleiben kurz vor der Fusion auch Konflikte nicht aus: So wollen die Hellersdorfer unbedingt noch einen Bibliotheksneubau durchsetzen. Für die Mitglieder des Marzahner Bildungsausschusses ist das unverständlich, schließlich existiert bereits mit der "Mark-Twain-Bibliothek" im Freizeitforum eine Hauptbibliothek. Ärger gibt es derzeit auch um den Status des Freizeitforums Marzahn. So soll das Haus nach den bisherigen Vorstellungen im Großbezirk einem Bereich mit Musik- und Volkshochschule unterstehen. Doch Marzahn will, dass das Haus samt Leiterposten solo bleibt - wogegen Hellersdorf protestiert. "Mit gleichem Recht könnten das auch andere Bereiche fordern," sagt Klett.

Bei allem Ärger: Mit Marzahn und Hellersdorf kommt eigentlich wieder zusammen, was einst zusammengehörte: Vor dem Beginn des gigantischen Wohnungsbaus waren beide vereint - als Ortsteile des Bezirks Lichtenberg.Morgen lesen Sie: Steglitz-Zehlendorf.

Steffi Bey

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