
© Annette Kögel
Auf dem Bauernhof in Berlin: Eine Entspannungsrunde im Landschaftspark Rudow-Altglienicke
Kühe, Ziegen, Pferde, Laufenten, Gänse und Wasserbüffel: Auf dem landwirtschaftlichen Gelände nahe dem Milchhof Mendler kommt man in Urlaubsstimmung. Eine Traktortour.
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Der Traktor tuckert, und die Kühe traben los. Immer an den Hecken entlang, bis dahin, wo Joachim Mendler mit seinem blauen Landwirtschaftsgefährt zum Stehen kommt. Die Kuh-Teenager und der Bulle mit dem Ring in der Nase schnauben neugierig. Aber nein, diesmal hat der Bauer kein Futter dabei, wir sind nur auf Besichtigungstour. Leckerlis darf übrigens nur der Bauer geben, Ausflügler sollen nicht füttern.
Wenn was am blauen Traktor defekt wäre, könnte Mendler noch selbst dran schrauben, er hat mal Kfz-Mechaniker gelernt. Doch der 68-Jährige hatte sich mit Anfang Zwanzig für einen anderen, einen exotischeren Lebensweg mitten im Großstadtdschungel entschieden.

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Er wurde, mit seinem Bruder Georg, Bauer in zweiter Generation auf dem Hof seines durch einen Verkehrsunfall viel zu früh verstorbenen Vaters. Bereut hat er es nie, nicht nur wegen der vielen Auszeichnungen, die an den Stallungen und im Hofladen hängen.
Vom Traktor runterklettern
Jetzt ist der Motor aus, und wir klettern aus dem Fahrzeugführerhäuschen die steile Traktorsteige herunter zur Rinderweide. Immer mal muht es hier und wiehert es da. Den Duft von Dung und Stall in der Nase. Es ist ein Herbstspaziergang dort, wo früher auch für die am Rudower Stadtrand aufgewachsene Autorin die Welt aufhörte. Da stand noch die Mauer. Davor lagen aus West-Berliner Sicht kleine wilde Felder: Bäumeklettern, Mokickfahren, Fußballspielen, all das war mitten in der eingemauerten Stadt möglich.

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Und heute, Jahrzehnte nach Mauerfall, lohnt sich ein Ausflug in den Süden von Neukölln ebenfalls, denn um uriges Landgefühl zu genießen, muss man nicht, wie damals, durch die Transitzone des früheren DDR-Gebiets nach „Westdeutschland“ fahren. Oder, wie heutzutage am Wochenende allzuoft, im Ausflüglerstau Richtung Brandenburg stehen.
Sandwege zwischen Holzzäunen
Das Land, es liegt einem auch hier vor den Füßen. Es zieht die Spaziergängerin auf die so schön unebenen Sandwege mit den Pferdehufspuren, die Region ist auch bei Reiter:innen beliebt.
Doch diese Pfade sind eben auch jenen Besuchern hoch zu Ross, und dem Traktor, vorbehalten. Lieber also auf den mit Holzzäunen, und wegen der Kühe mit elektrischen Weidezäunen, abgesicherten Spazierwegen laufen. Die Warnzeichen am Wegesrand, aus Metropolensicht herrlich, sie warnen vor Kuh und Pferd.
Tannen-Rosen leuchten rosa
Am Wegesrad leuchten Tannen-Rosen-Sträucher rosa, und die Rosmarin-Weiden erinnern an Schlendergänge im mediterranen Süden. 64 Hektar umfasst der Landschaftspark Rudow-Altglienicke insgesamt, er wurde als Ausgleichsprojekt der „Autobahn GmbH des Bundes Niederlassung Nordost – Außenstelle Berlin“ gestaltet, an dessen nordöstlichen Ende der Milchhof Mendler liegt.

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Aber erst noch ein bisschen treiben lassen. Wie die Zugvögel, die an der Wasserstelle rasten, vor der städtischen Kulisse der Wohnhausblocks in Alt-Glienicke. Dahinter sieht man die Flieger am BER landen. Wenn der Wind, wie meist, von Nord, Nordwest kommt, wird sowohl der Turbinensound als auch das Autobahnrauschen gen Brandenburg verweht. „Es ist hier oft total still“, erzählt eine Spaziergängerin aus Rudow.
Guck mal die Gänse! Abflug nach Palma de Mallorca
Ein spazierender Vater zu seinem Sohn
Jetzt steigt der Graugänseschwarm schnatternd auf. „Guck mal, die Gänse! Abflug Palma de Mallorca“, sagt ein spazierender Vater zu seinem Sohn gewandt, und Umstehende müssen lachen. Aber der Rudower Herbst ist auch nicht schlecht. Eine Anwohnerin mit Kinderwagen kommt immer gern her, so erleben die Kleinen, dass die Milch etwa von den graubraunen Kühen der Rasse Limousin stammt, und nicht von der lila Kuh.

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Gerade recken sich ihre Kinder der Schwarzweißen entgegen. Die alte Kuh wird übrigens Oma genannt und ist schon 17 Jahre alt. Da Kühe sehr sozial sind und Herdentiere, stehen auch noch zwei Teenie-Rinder bei der Seniorin auf der Weide.
Abmelkbetrieb im Hinterhof
Bevor Mendlers den Hof in Rudow an der Lettberger Straße 94 erwarben und Weideflächen pachteten, lag der 1930 gegründete Betrieb mitten in Berlin, in Schöneberg, in einem Hinterhof an der Steinmetzstraße. „Ein Abmelkbetrieb“, zur Versorgungssicherheit Berlins, 2000 gab es damals in der ganzen Stadt. Bei Mendlers standen „30 Kühe im Hinterhof und im Kellerraum waren bis zu 60 Schweine untergebracht“, ist in der Chronik an der Wand im Hofladen nachzulesen.
Die Schweine wurden damals ausschließlich mit Küchenabfällen aus Berlins Krankenhäusern gemästet. Als dies gesetzlich verboten wurde, stellte der Hof 1996 die Schweinehaltung ein und wechselte zur Pensionspferdehaltung zur Stallnutzung. Schon 1982 waren sie nach Rudow umgezogen – auf den alten Schwarzweiß-Fotos sieht man den damaligen, inzwischen verstorbenen CDU-Wirtschaftssenator Elmar Pieroth, der Hofchefin Dora Mendler gratuliert. Nach Joachims und Georg Mendlers Mutter ist auch ein Weg benannt, über den man an Wohnhäusern vorbei vom Ostburger Weg aufs Landschaftsparkgelände kommt.
Wasserbüffel fressen am Pfuhl
Da weiden am östlichen Ende, gegenüber von den großen Steintreppenstufen nach Alt-Glienicke hin, an den Pfuhlen sogar Wasserbüffel. Auch hier gilt, wie auf den Schildern steht, und wie bei allen Tieren: bitte nicht füttern oder beunruhigen.

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Hier am südlichen Ende müssen Eltern aber den Nachwuchs gut im Blick haben. Eine Mutter erzählt, dass auf den asphaltierten Mauerweg-Spuren für Spaziergänger Vorsicht geboten sei. „Da sind richtig schnelle Fahrradfahrer unterwegs.“
Hungerharke im Freiluftmuseum
Also lieber kehrtmachen und auf dem östlich am Gelände entlang nach Norden führenden Weg mit Bodenplatten zurückschlendern, Richtung Milchhof Mendler. Besucher:innen dürfen auf den vorderen Teil des Bauernhof-Geländes, auch an den Silage-Rollen vorbei auf dem Weg zum Landschaftspark laufen.

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Nahe den Rollen mit Winternahrung befindet sich unter einem Unterstand auch das kleine landwirtschaftliche Museum des Rudower Heimatvereins mit historischen Gerätschaften von „Zickzack-Egge“ bis „Hungerharke mit Schlepprechen“.
Auf der bunten Kuh reiten
Vor dem Hofladen können Kinder gegen Gebühr diesmal nicht in einem Autospielzeug Platz nehmen, sondern auf einer bunten Kuh reiten. Und drinnen, da riecht es wie auf dem Land in Bayern oder in der Uckermark. Joachim Mendler zapft jetzt Rohmilch ab, der Liter für 1,60 Euro.

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„Heute frische Enten“, da gibt es das Kilo für 19 Euro. 100 Gramm Brühwurstpastete ist für 2,80 Euro erhältlich, das Paar Wiener für 2,10 Euro. Immerhin beruhigend, dass die Rinder da draußen rund anderthalb Jahre im Winter wie im Sommer über die Weiden tollen dürfen, bevor sie einzeln auf einem Anhänger zu einem der Schlachtbetriebe nach Brandenburg gefahren werden. 25 Milchkühe gibt es, und 25 Fleischkühe.
Frische Eier fürs Youtube-Video
So haben die Tiere ein Leben in der freien Natur, wovon die klassische, ihr ganzes Leben lang an einer kleinen schmalen Stelle im Stall fest stehende Massenhaltungskuh nur träumen kann. Die Atmosphäre auf dem Hof scheint zu stimmen, an der Wand hängt ein herzliches Dankeschön einer früheren Praktikantin.
Die Eier, die Mendlers Team im kleinen Hofladen verkauft, kommen auch vom Land, aus Brandenburg. „Ich komme gern hierher, Eier kaufen, für meinen Back- und Kochkanal auf Youtube“, sagt Gimi Gün von „Gimis Kitchen“, eine Mutter aus der Nachbarschaft. „Hier zu sein, ist immer total entspannend und ein bisschen wie Urlaub.“

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Sagt’s, und hinter ihr meckert eine Ziege, und die Laufenten flitzen wie ein Schwarm, aber auf der Erde, synchron hin und her. Da kann man schon ins Schwärmen geraten, hier auf dem Lande in Rudow, auf dem Bauernhof Berlin.
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