zum Hauptinhalt

Berlin: Auf den Geschmack kommen

Zwei Küchenchefs bekochen Vor- und Grundschüler mit gesunden Nahrungsmitteln – damit die genießen lernen

Was ist das, fragt Idris, aber die Antwort wartet er nicht ab. Vorsichtig schiebt der Junge sich ein murmelgroßes weißes Bällchen in den Mund. Frischkäse, so etwas hat er nie gegessen. Er kneift die Augen zusammen, kaut, verzieht das Gesicht zu einer Grimasse, die Ekel auszudrücken scheint. Die Augen werden noch schmaler. Er schluckt den Bissen, dann hellt sich sein Gesicht auf. „Das is’ suuu-per.“

Die erste Disziplin des Experiments ist geglückt: In den kommenden zwei Wochen sollen Vorschüler wie Idris und Grundschüler zu essen bekommen, was sie noch nicht kennen. Und es mögen. Wenn sie das, was sie da angeboten bekommen, schon von zu Hause kennen – umso besser. Idris ist in der Vorschulklasse der Märkischen Grundschule in Reinickendorf, einer staatlichen Europaschule. Und seine Klasse ist die erste, die sich von diesen beiden Berliner Küchenchefs gesunde Ernährung und guten Geschmack beibringen lässt. Vincent Garcia, Chefkoch in der Brasserie Ganymed am Schiffbauerdamm, hatte das Projekt angestoßen, das sich nach seinem französischen Vorbild „Woche des Geschmacks“ nennt. „Die ,Semaine du gout‘ gibt es bei uns in Frankreich seit gut 15 Jahren an den Schulen“, sagt Garcia. Allerdings haben auch die Franzosen das „Fach“ importiert: aus der Schweiz. Auch bekannte Berlin Köche haben vor Jahren schon einmal Schüler bekocht.

Die weiß gedeckte Tafel beansprucht mit ihrer Hufeisenform den halben Raum. Darauf stehen Glasschüsseln mit frischem Thymian, Rosmarin und Koriander, dazu Holzkisten mit Zitrusfrüchten wie auf einem Markt. An der Kopfseite bereitet Vincent Garcia den zweiten Gang vor: Wraps, eine Art gerollten Pfannkuchen, mit Gemüsefüllung. Hinter ihm warten 15 Kinder auf die nächste Lektion in gutem Geschmack.

Die Frischkäsekugeln sind cool, erst recht die „Räps oder wie die heißen“. Idris findet das, Mangué, Maria mit den vielen kleinen geflochtenen Zöpfen und die anderen finden das auch. Innerhalb weniger Minuten ist der grau-blaue Teppich des Raums gesprenkelt mit Salatschnipseln und Karottenraspeln. Auch das Schokofondue von Lindenlife-Koch Joachim Merk schmeckt, wie es soll. Und ein Lehrer hat sein „technisches Problem“ fast schon vergessen. Dem drahtigen Mann war die Hosennaht geplatzt. Vor dem Essen.

Marc Neller

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false