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Berlin: Auf den Reim gegangen

Rilke-Projekt macht Station im Tempodrom

Künstlerisch ist es ein Wagnis, zweifellos: Rainer Maria Rilkes Einsamkeits und Sehnsuchts-Lyrik auf eine Bühne zu bringen, unterlegt mit Musik zumal. Da kann vieles schief gehen. Dagegen scheint das kaufmännische Risiko für einen Veranstalter wesentlich geringer, denn das „Rilke-Projekt“ wirbt für sich selbst. Die erste von inzwischen drei CDs verkaufte sich 150000 Mal. Recht plötzlich gelangte vor drei Jahren Rilkes sorgsam in deutschen Bücherregalen verkramte Lyrik in die deutschen Charts – im Gewand einer CD-Hülle. Ein Umstand, den Rilkes Dichtung nicht zuletzt der Schubkraft großer Namen der Gegenwart verdankt. Die Schauspieler Mario Adorf, Hannelore Elsner und Otto Sander lasen die Gedichte, unter anderem. Wer mehr Gegenwart brauchte, fand den Klangteppich, der unter den Texten liegt: rockig-sphärische Wohlfühlmusik.

Mit ihrer dritten CD touren die Komponisten Richard Schönherz und Angelica Fleer nun erstmals durch Deutschland. „Zwischen Tag und Traum“ heißt das Projekt, eine Mischung aus Lyrik, Musik, Theater und Bildprojektion. Das Grundkonzept ihrer CDs haben Fleer und Schönherz beibehalten, indem sie prominente Sprecher verpflichteten: Jürgen Prochnow, Nina Hoger, Robert Stadlober („Sommersturm“, „Sonnenallee“), dazu Sängerin Zabine.

Und so zeigen Fleer und Schönherz Rilkes Weltinnenraum: Die Schauspieler wandeln zwischen weißen Türen, durchsichtigen Rollos und perfekt gestylten Videoprojektionen über die Bühne. Die Musiker sitzen in zwei verschleierten Kästen wie in Käfigen. Und Robert Stadlober ist das Mensch gewordene lyrische Frühwerk Rilkes. Blass, schlaksig, die Haare getönt und verwuschelt, steht er auf der Bühne. In jedem Moment seiner Auftritte während der gut zweistündigen Show scheint es möglich, dass er der Welt abhanden kommt. Und sagt er „Herz“ oder „Seele“, was er ziemlich oft tut, dann klingt es echt.

Ist das „Rilke-Projekt live“ Schauspiel oder Star-Theater? Lyrik-Musik-Star-Theater womöglich. Dass es diesen Begriff bisher nicht gibt, spricht nicht gegen das Projekt. Nur: Die Aufführung ist aufgeladen mit reichlich Pathos. Das passt zwar zu vielen Texten. Da aber eine dramaturgische Ordnung fehlt, schweben Rilkes Worte haltlos zwischen den Himmeln, Wassern, unendlichen Weiten und Schwarzweißfotos, die auf die Bühne projiziert werden. Eine schöne, aber kontrastarme Oberfläche. mne

20 Uhr im Tempodrom, Möckernstraße 10-15, Kreuzberg. Karten an der Abendkasse (25 bis 40 Euro).

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