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Berlin: AUF DEUTSCH GESAGT Mit der Zunge kämpfen Brigitte Grunert über

die Sprache der Politiker

Wenn Politiker reden, dann wollen sie für ihre Anliegen werben. In der Regel. Manchmal aber drücken sie sich um klare Worte, weil es den Wähler verprellen könnte. Wie Politiker sprechen, und was sie wirklich meinen – darüber schreibt Brigitte Grunert an dieser Stelle alle zwei Wochen.

Selbst große Erzähler haben sich Sprachschnitzer geleistet. Der gute alte Theodor Fontane hat mit Vorliebe „obwohl“ und „trotzdem“ verwechselt. Nur ein Beispiel aus seinem Roman „Cécile“ sei zitiert: „Kavalier, schöner Mann und Anekdotenerzähler, war er allgemein beliebt, freilich noch mehr verschuldet, trotzdem er ein hohes Gehalt hatte.“ Statt trotzdem müsste hier obwohl stehen. Doch das wurde damals genauso falsch gemacht wie heute.

„Trotzdem man einen der heiß begehrten NC-Studienplätze ergattert hat, muss man mit miserablen Studienbedingungen kämpfen“, wetterte die Abgeordnete Lisa Paus (Grüne) im Parlament. So stand es auch in ihrem Redemanuskript. Wieder schreit die Grammatik nach obwohl statt trotzdem. Nur passt die Satzkonstruktion auch dann nicht. Die Tatsache des Studienplatzes und die Studienbedingungen sind zweierlei. Frau Paus wollte vermutlich sagen: Wer endlich einen Studienplatz hat, muss sich mit schlechten Studienbedingungen plagen.

Ein Bindewort (Konjunktion) wie „obwohl“ verbindet Satzteile. Dagegen gibt ein Umstandswort (Adverb) wie „trotzdem“ die Umstände der Aussage an. Man kann Konjunktionen eben nicht adverbial benutzen. Er war verschuldet, obwohl er ein hohes Gehalt hatte. Oder: Er hatte ein hohes Gehalt. Trotzdem war er verschuldet.

Auch mehrteilige Konjunktionen wie „zwar – aber“ oder „sowohl – als auch“ werden falsch angewendet. „Das ist sowohl Verpflichtung der Berliner Universitäten, aber auch der Verwaltung“, meinte der CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer. Falls er die gleichrangige Verpflichtung der Universitäten und des Senats meinte, hätte er „sowohl – als auch“ sagen müssen. Sofern er eine besondere Verpflichtung der Universitäten oder des Senats betonen wollte, wäre „sowohl“ fehl am Platze. Ebenso ist es eine schlechte Mode, einen Zwar-aber-Satz in zwei Sätze zu zerhacken. Mit zwar kündigt man nur die Hälfte des Gedankens an. Zwar studiert er. Hm, und was kommt nun? Aber es macht ihm keinen Spaß. Ein Komma gäbe dem Gedanken Halt.

Kämpfen wir gegen sprachliche Gedankenlosigkeit. Man kämpft immer gegen oder für etwas. Doch die Präposition (Verhältniswort) „mit“ wird oft missbraucht, zum Beispiel als Füllwort. „Die hier in Berlin hatte mit die meisten Teilnehmer“, meinte der CDU-Landesvorsitzende Joachim Zeller im Tagesspiegel-Interview über die Regionalkonferenzen der Union. Wer so redet, macht einen kraftvollen Anlauf zum Superlativ und stolpert sogleich einen Schritt zurück. Er weiß nicht genau, ob es die größte Konferenz oder eine der größten Konferenzen war. Also schränkt er den Superlativ durch das sinnlose Wörtchen mit ein. Das ist gedanklich und grammatikalisch gemogelt.

Hoffen wir, dass das neue Jahr das reformfreudigste seit langem wird oder wenigstens eines der reformfreudigsten, aber bitte nicht „mit das reformfreudigste“, denn wir wollen es doch nicht mit einer Mogelei beginnen.

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