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Berlin: Auf gute Nachbarschaft

Das erste McDonald’s in Kreuzberg ist eröffnet – ohne Krawall, mit ein wenig Ärger und viel Freude

In der Schulkantine gibt’s Schweineschnitzel, das wollen die Jungs – Eren, 21, und Murat, 22 – sowieso nicht essen. „Außerdem ist die Kantine so gemütlich wie ’ne Schwimmhalle.“ Und deshalb haben sie sich an diesem Morgen auf der Straßenseite gegenüber postiert – vor der ersten Filiale von McDonald’s in Kreuzberg. Eren hat sein Kleingeld parat, „ich will ’nen Big Mac“, nur leider sagen die Sicherheitsleute: „Kein Zutritt, aber gleich!“.

Als es dann 10.18 Uhr ist und die Filialleiterin die Ladentür öffnet, ist die Schulpause längst vorbei und statt 500, 600 jungen Leuten steht nur ein kleines Grüppchen vor dem Laden. Stattdessen tauchen zwischen all den Kamerastativen plötzlich fünf Menschen auf, die lauthals „McDonald’s raus aus Kreuzberg!“ rufen. Drei, vier Mal schreien sie den Slogan – dann ist auch das vorbei.

Keine fliegenden Steine also und auch kein unkontrollierter Massenauflauf wie jüngst bei der Eröffnung des Einkaufszentrums am Alexanderplatz. „Es ist ja eigentlich auch eine ganz normale Filiale, oder?“, sagt der aus München angereiste Konzernsprecher Alexander Schramm. Natürlich ist sie das nicht. Das haben sie in München spätestens begriffen, als plötzlich die BBC aus England und Fernsehanstalten aus Japan anriefen. „Jetzt sprechen wir von der bekanntesten Filiale in Deutschland“, sagt Schramm, „ach was, über die Grenzen hinaus!“

Heftig debattiert wird seit Monaten, ob denn nun der Weltkonzern im alternativen Kreuzberg Einzug halten darf. „Ja klar“, sagt Schüler Eren dazu. „Dagegen sind doch nur die Feinde des Großkapitals, die Anarchisten!“ Der Laden sehe sauber aus, die Wiese ist frisch gemäht, „das freut doch alle im Kiez“. Ein paar Anwohner schimpfen dagegen über den Autolärm, ein anderer über ungesunde Ernährung und knallharte Ausbeutung in Entwicklungsländern. Große Politik findet hier statt, in dieser Seitenstraße im Wrangelkiez – ohne Politiker.

Am Nachmittag mischt sich eine angereiste Delegation aus Friedrichshain ein, um kreativ-charmante Amtshilfe im Anti-Burger-Kampf zu leisten. Vor dem Zaun bieten die Bewohner des linksautonomen Wohnprojekts Rigaer Straße 84 vegane Alternativen zum US-Fastfood an. Aus einer großen Schüssel dürfen sich Passanten gegen eine kleine Spende von grünem Salat bedienen, dazu gibt es Gemüsebratlinge und vegetarische Beilagen – Senf und Ketchup fehlen auch hier nicht.

Zwei Millionen Euro hat der Konzern in seine 24-Stunden-Filiale investiert und knapp 60 Leuten aus neun Nationen einen Job vermittelt. Drinnen brutzeln am Mittag längst die Burger, der Geruch von Kaffee liegt in der Luft, draußen wedeln bunte Ballons im Wind, die Schüler kommen und gehen.

Die nächste McDonald’s-Filiale macht übrigens in der Sonnenallee in Neukölln auf. Das japanische Fernsehen hat sich bisher nicht angemeldet. AG/wie

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