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Berlin: Auf Papa kommt es an

Ein Potsdamer Genlabor wirbt in Berlin für Vaterschaftstests. Zum Vatertag gibt es Sonderpreise

Potsdam. Den Mund schön weit auf und mit der kleinen Bürste an der Innenseite der Wangen sachte 20 Mal drehend auf- und abbürsten. So macht man einen Vaterschaftstest. Ein wenig Speichel genügt, er kann zur Not auch an einem Schnuller kleben oder an einer Zigarettenkippe. Unblutig und schnell lässt sich der Zweifel heute beseitigen, der den modernen Mann verfolgt, bis in die Berliner U-Bahn hinab. Zwei runde, braune Kinderaugen schauen den Fahrgast da an und fragen unschuldig: „Sind das Ihre Augen?“ Wer weiß das denn schon ganz genau?, fragt Mann sich beklommen. Und nutzt gleich das Sonderangebot zum Vatertag: 495 statt 650 Euro, da sollte man zugreifen.

Gentest am Froschteich

Thomas Kahn hat das Plakat mit den Kinderaugen persönlich entworfen. Für die offensive Vermarktung seines Gen-Labors braucht der Chef der biotix GmbH in Potsdam keine Werbeagentur. Mit zehn Angestellten arbeitet er in einem roten Backsteinhaus auf der Insel Hermannswerder, vor dem Haus ein großer Froschteich, ein fruchtbares Milieu für das Geschäft mit dem genetischen Fingerabdruck. Kahn ist Diplom-Ingenieur der Biotechnologie, 35 Jahre alt, Brille, Sommersprossen. Einer, dem man ansieht, dass er viel im Labor steht. Aber der auch weiß, wie man die Öffentlichkeit benutzt.

Vor Kommerzialisierung warnt Hans-Jörg Freese von der Bundesärztekammer, kritisiert die Werbung für Vaterschaftstests und spricht von „ausuferndem Wildwuchs in der Laborszene“. „Sollen sich die Leute doch empören“, sagt Kahn schulterzuckend. „Es ist doch so: In Sachen Vaterschaftstest ist zurzeit jede Publicity gute Publicity.“

Der Jungunternehmer hat seine kleine, mit Landesmitteln geförderte Biotech-Firma inzwischen auf das Geschäft mit der männlichen Unsicherheit spezialisiert. Im Jahr 2000 waren es 100, im letzten Jahr bereits 700 getestete Familien. Die meisten seiner Kunden sind Väter, oft kommen sie, ohne dass die Mutter des Kindes davon weiß. Es scheint sich zu lohnen. Trotz der seit Jahren sinkenden Preise in der Branche entsteht fast jeden Monat ein neues Labor; über 20 kommerzielle Mitwerber sind auf dem Markt. Bei Kahn fällt so viel ab, dass er mit dem Erlös Projekte in der Krebsforschung finanzieren kann.

Die Proben kommen mit der Post in sterilen Plastikhülsen. Etwa eine Woche später geht das Ergebnisgutachten per Post oder E-Mail raus. Ein reiner Laborbetrieb. Nur beim ersten Informationsgespräch erfahren Kahn und seine Mitarbeiter manchmal etwas über die Motive der Kunden. „Ich bin Fernfahrer und meine Kumpels sagen, Alter, deine Kinder sehen dir gar nicht ähnlich“, sei ein Klassiker. Andere lassen sich kommentarlos die Testunterlagen zuschicken. Im Gutachten steht dann später: „Vaterschaft praktisch erwiesen“ oder „kann als Vater mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden“.

Trefferquote 20 Prozent

Ein Test von fünf ist negativ, schließt also die Vaterschaft aus. Trefferquote also 20 Prozent. Doch was das für den Einzelnen und für die Kinder bedeutet, wer sich darüber freut oder verzweifelt ist, das weiß im Potsdamer Institut niemand. Für Krisenfälle hält Kahn Telefonnummern von Psychologen und Selbsthilfegruppen bereit.

Kahn und seine Labormitarbeiter haben gerade gut zu tun. Der Boom hält an. Seit die Aktionswoche zum Vatertag läuft, rufen an manchen Tagen mehr als 100 Leute an, etwa 20 bestellen den Test. So viel steht fest: Einige von ihnen werden nach dem Vatertag keine Väter mehr sein.

Kirsten Wenzel

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