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Berlin: Aufbauen zum Abreißen

Im Palast der Republik wird wieder gewerkelt, die Kultur zieht ein – zum letzten Geleit für die Ruine

Im Palast der Republik wird wieder gebaut. Wer am Zaun vor dem ruinösen Gebäude auf dem Schloßplatz steht und durch ein geöffnetes Tor das geschäftige Treiben werktätiger Menschen beobachtet, denkt vielleicht: Jetzt geht der Abriss richtig los. Irrtum: Es wird, im Gegenteil, wieder aufgebaut – jedenfalls so viel, wie für die ab 20. August geplante kulturelle Nutzung nötig ist. Da stapeln sich weiße Säcke mit Beton-Estrich, werden Löschwasser- und Stromleitungen verlegt, Fluchtwege eingerichtet, neue Träger eingezogen: „Wir machen das Foyer für zahlreiche Veranstaltungen begehbar“, sagt Siegfried Paul, der Chef von „Mediapool“. Der Fußboden im 85 mal 65 Meter großen Raum, in dem noch der metallene Stumpf der „Gläsernen Blume“ aus dem Betonstaub ragt, ist derart uneben, dass eine drei Zentimeter hohe Estrich- Schicht aufgebracht werden muss. „Die 8000 Quadratmeter sind von Statikern aufwändig überprüft worden, schließlich sollen sich bis zu tausend Menschen gleichzeitig auf dieser Ebene aufhalten können“, sagt Siegfried Paul. Das saalartige Foyer, in dem einst unzählige runde Kugelleuchten hingen und dem Haus schon bald nach seiner Eröffnung den Begriff „Erichs Lampenladen“ einbrachten, besteht jetzt nur noch aus dunkelbraunen, rohen Stahlträgern. Nur zögernd quält sich das Tageslicht durch die verstaubten Fensterscheiben in diese Fabrikhalle. Aber solch leicht marode, vom Untergang gezeichnete und dennoch als ingenieurtechnisches Bauwerk höchst beachtliche Location ist offenbar so cool wie „in“. Siegfried Paul hat für das Provisorium einen schönen Vergleich: „Das ist hier wie ein Auto, für das man den Kfz-Brief und den Führerschein verloren und bei dem irgendeiner die Typennummer herausgestanzt hat, aber mit dem man dennoch nächste Woche in den Urlaub fahren möchte.“

Der „Urlaub“ ist für den Rest-Palast die „Zwischenpalastnutzung“. „Zahlreiche künstlerische Projekte laden vom 20. August bis zum 9. November ein, den Rohbau des symbolträchtigen Gebäudes neu zu erkunden“, sagen die Veranstalter, die 100000 Euro private Gelder und eine nicht näher genannte Summe vom Hauptstadtkulturfonds und von der Kulturstiftung des Bundes für ihre Vorhaben bekommen haben.

Das wahrscheinlich Spektakulärste findet im September gewissermaßen im Keller statt, im einstigen Eingangsbereich mit den Garderoben und einer Batterie Fernsprecher, von denen man schneller als anderswo in den Westen telefonieren konnte: „Fassadenrepublik“ nennt sich das Spiel, zu dem eine Fläche von 500 Quadratmetern im Untergeschoss geflutet wird und wo Besucher vom Schlauchboot aus in diesem labyrinthischen Wasserbecken Fassadenteile auf- und umstellen, also ihre eigene Stadt bauen können. Andere Programmpunkte bei diesem „urbanen Labor“ sind Choreographien von Sasha Waltz, ein Musikfestival, die Inszenierung alter Ballhaustraditionen, bei der das Publikum mittanzen soll, ein Chorwettstreit. Die Unternehmsberatung McKinsey möchte, wie kürzlich der BDI, mit über 4000 Menschen in den Großen Saal des Hauses, das die Veranstalter nun „Volkspalast“ nennen, und vorgestern sondierte Blixa Bargeld Möglichkeiten für ein Konzert mit den „Einstürzenden Neubauten“. Das passt ja ins Bild. Und während vor allem die CDU fürchtet, der Palast könne sich langfristig als lebendiger Ort in der City etablieren, sagen Vertreter der Grünen und der SPD, besser so als den Rest vom Volkspalast verkommen zu lassen – solange es keine bessere Alternative gibt.

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