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Berlin: AUFDEUTSCH GESAGT An Ostern ist zu Ostern Brigitte Grunert über

die Sprache der Politiker

Wenn Politiker reden, dann wollen sie für ihre Anliegen werben. In der Regel. Manchmal aber drücken sie sich um klare Worte, weil es den Wähler verprellen könnte. Wie Politiker sprechen und was sie wirklich meinen – darüber schreibt Brigitte Grunert.

Peter Strieder ist ein eloquenter Mann. Am Dienstag gab der Stadtentwicklungssenator vor der Presse seine Abschiedsvorstellung. Fachlich war er noch einmal sehr mitteilsam, und sei es, um sich nicht anmerken zu lassen, dass er kurz vor dem Rücktritt stand. Als er spürte, dass bei seinem Redefluss den Journalisten die Zeit davonlief, meinte er amüsiert: „Sie können das auch noch an Ostern bringen.“

An Weihnachten, an Silvester, an Fastnacht, an Ostern, an Pfingsten: Man hört und liest es auch in Berlin immer öfter, wenn von Festen die Rede ist. Selbst ein Sprecher des Arbeitskreises Historisches Berlin wurde in der Zeitung mit den Worten zitiert, die Christkönigschwestern in Lankwitz (denen mutmaßlich durch Betrug das Vermögen abhanden kam) hätten an Ostern oft in ihren Park eingeladen. Diese Wendung passt natürlich nicht zu Berlin, schon gar nicht zum historischen Berlin. Sie klingt in unseren Ohren fremd und ungeschickt, sie klingt auch nicht hochdeutsch. Doch falsch ist sie nicht.

Peter Strieder stammt aus Nürnberg. Damit ist klar, warum er an Ostern sagte. Es hat mit seinem heimischen Dialekt zu tun. Unsereiner sagt: zu Ostern. Das ist norddeutsch und hat sich in der Hochsprache durchgesetzt. An Weihnachten, an Ostern und so weiter ist in Süddeutschland, in Österreich und in der Schweiz gebräuchlich.

Es mag uns nicht gefallen, dass sich die süddeutsche Ausdrucksweise breit macht. Doch viele Wörter und Redensarten sind aus Dialekten ins Hochdeutsche eingeflossen und sickern weiterhin ein, von Einflüssen aus fremden Sprachen gar nicht zu reden. Gerade Berlin ist ein typischer sprachlicher Schmelztiegel mit Relikten aus dem Französischen, Jiddischen, Polnischen. Immer haben Neuberliner ihre Sprache mitgebracht. Vieles wurde aufgesogen, manches Wort verballhornt, so dass man seine Herkunft kaum noch erkennt. Im Senat, im Parlament, in den Bundesinstitutionen sitzen eben auch Zugereiste, die sich mundartlich bemerkbar machen. Was heißt überhaupt Hochsprache? Sie ist ja aus den Dialekten hervorgegangen. Bei etlichen Wörtern sind die Grenzen fließend. Wäre uns „an Ostern“ vertraut, brauchten wir darüber nicht zu stolpern. Viele sagen übrigens nicht brauchten, sondern bräuchten; auch das ist süddeutsch.

Was den Berlinern die Schrippe ist, das ist anderen die Semmel, vor allem den Bayern und Sachsen. Doch überall gilt die Redewendung, dass eine Ware weggeht wie warme Semmeln. Daraus machen wir doch in Berlin keine warmen Schrippen.Wir Berliner müssen es uns auch wie die Niederdeutschen, Sachsen und Thüringer gefallen lassen, dass unser geheiligter Sonnabend der Konkurrenz des Samstags nicht standhält. Das kürzere Wort spricht sich leichter, es nistet sich ein. Der Samstag ist seit eh und je im Hessischen, Rheinischen, Pfälzischen, Schwäbischen, Fränkischen und Bayerischen üblich.

Und damit frohe Feiertage, ob zu oder an Ostern, aber bei uns natürlich zu Ostern.

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