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Berlin: Auktionatorin Irene Lehr

Aus Wien ist schon früher immer mal wieder ein schöner Gewinn für die Kultur oder den Kommerz nach Berlin gekommen. Ein Banause, wer nur an Schnitzel denkt.

Aus Wien ist schon früher immer mal wieder ein schöner Gewinn für die Kultur oder den Kommerz nach Berlin gekommen. Ein Banause, wer nur an Schnitzel denkt. Ein Gewinn für diese Stadt ist auch diese junge, quirlige Frau mit ihrem hellen, lauten Lachen und den intensiven blaugrauen Augen unter den schwarzen Augenbrauen. Vor zehn Jahren hat diese Tochter aus einem angesehenen bürgerlichen und „sehr katholischen“ Wiener ProfessorenHaus hier in der Sybelstraße ein eigenes Kunstauktionshaus gegründet, eine GmbH. 30000 Mark von ihren Eltern und ein nicht kleines Quentchen Unternehmergeist haben damals dazu gehört, neben so bedeutenden Berliner Häusern wie Grisebach bestehen zu wollen.

Aber es hat geklappt. Mit einem Fokus auf zeitgenössischen Werken und einem Akzent auf „Ostkunst“! Die schönen hochformatigen Kataloge werden von Mal zu Mal dicker. Es ging bisher immer aufwärts. Mit der 20. Auktion im Frühjahr hat sie Kunst für 830000 Euro versteigert. Von Konjunktur weiß sie nichts – „Es kommt darauf an, wie der Laden geführt ist“. Und das kann sie offensichtlich. Die Atmosphäre in ihren hellen Ausstellungsräumen mit ihren drei Mitarbeitern ist geschäftig und kollegial freundschaftlich. Aber man spürt, es muss alles schnell gehen und präzise. Offenbar ein Erbe. Ihr Vater, Kernphysiker, „hat immer gearbeitet“, sagt seine mittlere Tochter. Er ist der „korrekteste Mensch“, den sie kennt. Geprägt hat sie sicherlich auch das Akademikermilieu in Wien. Intelligenz war dort immer wichtiger als Geld.

Den Wiener Schmäh hat sie nie gemocht. Sie bezeichnet sich als sehr direkt, offen und „immer unheimlich lebendig“. Viele Bälle hat sie besucht und gerne an Geräten geturnt. Und zeichnen mochte sie besonders, die Enkelin des österreichischen Expressionisten Herbert Boeckl. Trickfilmzeichnerin wollte sie mal werden. Sie studierte Kunstgeschichte an der Wiener Uni, dann lockte sie ein Freund nach Karlsruhe. Aber schon nach drei Wochen hatte sie ihn verloren. Museumspädagogik hat ihr dort länger gefallen. Und dann hat sie dort in nur einem Jahr ihre Dissertation geschrieben. Ihr Wiener Professor brauchte danach fast ein Jahr, um sie zu lesen.

Über Hamburg kam Irene Lehr 1992 nach Berlin. Im Antiquariat Lehr hat sie ihren ersten Mann gefunden und seine Kunstabteilung geleitet. Von beiden hat sie sich später getrennt und wurde wieder selbstständig. Privatleben und Beruf, das ist für sie heute „alles eins“. Ihre Wohnung hat sie über ihrem Geschäft. In Berlin lebt sie gerne, weil es hier so viele kunstinteressierte Menschen gibt, die Preise niedrig sind und sie „hier so sein kann wie ich will“. Ihr ganzes Geld gibt sie für Kunst und Essen aus und ihre grazile Figur hält sie beim Schwimmen und „Sensual Fighting“ in Form. Zurzeit ist sie wieder auf Einkaufstour. Für ihre nächste Auktion Ende Oktober hat sie schon einige „Leckerbissen“ im Netz.

Heik Afheldt war Herausgeber des Tagesspiegels.

Irene Lehr (41).

Die promovierte

Kunstgeschichtlerin ist alleinige

Gesellschafterin und Geschäftsführerin

der Dr. Irene Lehr Kunstauktionen GmbH Berlin

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