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Berlin: Autofreies Wohnen: Leben neben der Überholspur

Nach mehreren vergeblichen Anläufen soll jetzt erstmalig in Berlin die Idee eines autofreien Wohnviertels verwirklicht werden. Dafür vorgesehen ist ein Bereich der Gartenstadt Falkenberg im Bezirk Hohenschönhausen-Lichtenberg, die zurzeit auf einem 16 Hektar großen Areal zwischen Paradies-, Grottewitzstraße- und Gartenstadtweg entsteht.

Nach mehreren vergeblichen Anläufen soll jetzt erstmalig in Berlin die Idee eines autofreien Wohnviertels verwirklicht werden. Dafür vorgesehen ist ein Bereich der Gartenstadt Falkenberg im Bezirk Hohenschönhausen-Lichtenberg, die zurzeit auf einem 16 Hektar großen Areal zwischen Paradies-, Grottewitzstraße- und Gartenstadtweg entsteht. Die "Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892" plant dort in den kommenden Jahren insgesamt rund 700 Wohnungen zu errichten. Den östlichen Rand des Viertels wollen die Grundstückseigentümer zum autofreien Gebiet erklären. 54 Quartiere stehen für Mieter oder Käufer zur Verfügung, die auf ein Auto verzichten. "Wir haben uns für die Hanglage entschieden, weil man dort den Verkehr am besten abschirmen kann", sagte Sylvia Walleczek von der Wohnungsgenossenschaft. Wie sie weiter sagte, stamme die Idee von den Genossenschaftsmitgliedern selbst.

Die Drei- und Vier-Zimmer-Wohnungen werden in winkligen Gebäuden mit Blick auf den Falkenberg errichtet. Mit diesem vierten Bauabschnitt soll voraussichtlich 2002 begonnen werden, kündigte die Genossenschaft an. Rund 40 Interessenten gebe es bereits. "Vor allem Familien mit Kindern sind begeistert", heißt es bei dem Wohnunsgunternehmen.

Eher skeptisch betrachtet dagegen Wulf Wewel von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung das Vorhaben. Er verweist auf die Initiativen für autofreie Wohngebiete, die es schon vor Jahren in der Stadt gab, aber stets gescheitert sind. Bereits 1995 hatte der Senat fünf Standorte - Lichterfelde Süd, den Alten Schlachthof an der Eldenaer Straße in Prenzlauer Berg, Biesdorf-Süd, die Rummelsburger Bucht und die Gartenstadt Falkenberg - untersuchen lassen. Übriggeblieben ist von diesen Plänen aber nur Falkenberg. "Investoren haben abgewinkt, weil sie befürchteten, ihre freifinanzierten Wohnungen ohne Pkw-Stellplätze nicht loszuwerden", sagte Wewel. Aus seiner Sicht sei das auch irgendwie verständlich. Denn wer beispielsweise eine halbe Million Mark für die Wohnung bezahlt, wolle doch nicht ohne Auto leben. Außerdem seien einige Gebieten schlecht an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen.

Dennoch hält der Senatsmitarbeiter die Ausgangssituation in Falkenberg "für bisher am günstigsten". Denn im Gegensatz zu den anderen autofreien Projekten gehört das Grundstück schon dem Bauherrn. Vorteilhaft sei auch, dass sich in einer Genossenschaft von vornherein Gleichgesinnte zusammengeschlossen haben, sagte Wewel. Auch die Erschließung des Gebiets sei durch zwei S-Bahnstationen in der Nähe ganz passabel.

Seit längerem gibt es Pläne für ein weiteres autofreies Viertel, die die Bezirksverordneten in Mitte mit einem Beschluss unterstützen. Es soll, wie berichtet, auf dem Areal des abgerissenen Stadions der Weltjugend an der Chausseestraße enststehen. Der Architekt Markus Heller entwickelte eine Anlage mit rund 600 Wohnungen, Gewerbe- und Einzelhandelsflächen, Sportanlagen, Kitas und Kulturstätten. Er hat nach eigenen Angaben bereits vier Investoren im Boot und 450 Interessenten für die Wohnungen.

Heller kann deshalb die Diskussion um die "angeblichen Vermarktungsprobleme" nicht nachvollziehen. "Es wurde noch nirgends ernsthaft probiert", sagt der Architekt. In anderen Städten wie Bremen oder München funktioniere es doch. Dabei Berlin seien die gesetzliche Grundlagen für autofreies Wohnen soar viel besser als andernorts. "Schließlich gibt es keine Stellplatzverordnung mehr, die dem Investor vorschreibt, eine bestimmte Anzahl von Parkplätzen anzubieten", sagte er. Erstaunlich sei für ihn, dass sich besonders viele Familien für das neue Stadtviertel interessieren. Sie wollen, dass ihre Kinder frei von Abgasen und Lärm auf der Straße spielen können. Heller steht in den nächsten Monaten vor der schwierigen Aufgabe, den Senat von seinem Konzept zu überzeugen. Doch er ist zuversichtlich und wird den Verwaltungen deutlich machen, dass die landeseigene Fläche aufgrund ihrer Lage, Größe und Verkehrsanbindung für autofreies Wohnen prädestiniert ist.

Steffi Bey

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