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Babyleiche: Keine Spur von der Mutter des toten Säuglings

Erstickt, erwürgt und weggeworfen: Immer wieder machen grausige Funde von toten Babys Schlagzeilen. Seit 2001 wurden in Berlin 58 Kinder in Babyklappen abgelegt oder kamen in Kliniken anonym zur Welt. Im aktuellen Fall aus Wilmersdorf hat die Polizei noch keine konkrete Spur.

Die Polizei ist weiterhin auf der Suche nach der Mutter des getöteten Neugeborenen, der am Montag in einem Altkleidercontainer in der Wilmersdorfer Güntzelstraße gefunden wurde. „Es gibt bislang noch keine konkrete Spur“, sagte Justizsprecher Michael Grunwald. Nach Polizeiangaben waren bis zum Abend nur vier Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen. Keiner davon habe jedoch bisher zu Ermittlungsergebnissen geführt, hieß es.

Nach ersten Erkenntnissen der Gerichtsmediziner hatte der Junge kurz nach der Geburt gelebt und war dann offenbar erstickt worden. Die chemisch-toxikologische Untersuchung der Leiche ist jedoch noch nicht abgeschlossen.

Erstickt, erwürgt und weggeworfen: Immer wieder machen grausige Funde von Babyleichen Schlagzeilen. Oft sind es schwierige Lebensumstände und innere Konflikte, die Frauen dazu bringen, ihr Kind zu töten. „Es gibt aber keinen festen Täter-Typus“, sagt der Leiter für Geburtshilfe im Vivantes-Klinikum Neukölln, Klaus Vetter. Frauen, die aus einem Akt der Verzweiflung ihr Kind töteten, seien eine spezielle Gruppe, deren psychosomatischer Zustand sehr unterschiedlich sein könne. „Es gibt auch gebildete Mütter, die mit der Tötung eine Art ,erweiterten Selbstmord‘ begehen.“ Zudem sei der Übergang zwischen kriminellem Akt und psychosomatisch bedingtem Ausnahmezustand nicht immer eindeutig.

„Mit der Aufklärung über mögliche Hilfsangebote wollen wir Schwangere in prekären Situationen besser erreichen“, betont die Referatsleiterin für Soziale Dienste, Ulrike Herpich Behrens. Das Problem der Kindstötung könne nicht allein über Babyklappen oder anonyme Geburten gelöst werden. „Die Tötungszahlen gehen dadurch nicht zurück.“ Die Frauen, die damit erreicht werden sollten, würden dieses Angebot gar nicht in Anspruch nehmen. Viel wichtiger sei es daher, die Frauen früher zu erreichen.

Das Vivantes-Klinikum ist eines von vier Berliner Krankenhäusern mit einer Babyklappe, in der Eltern ihren Säugling anonym abliefern können. Zudem nimmt Geburtshelfer Vetter in brenzligen Fällen anonyme Geburten vor. „Es gibt weder Zahlen, die den Nutzen dieser Möglichkeiten belegen noch widerlegen.“ Fest stehe, dass die anonyme Geburt für eine spezielle Frauengruppe die absolute Notbremse sei. „Das sind Frauen, denen bewusst ist, dass sie ihr Kind nicht töten wollten, die aus unterschiedlichen Gründen aber auch nicht mit ihm zusammenleben können.“ Denen bleibe letztlich nur anonyme Geburt oder Babyklappe. Ob Mutter und Kind das gleiche Recht haben, voneinander zu wissen, beantwortet Vetter für sich wie folgt: „Mir ist es lieber, ein Kind kennt seine Eltern nicht und hat dafür eine schöne Zeit, anstatt tot zu sein.“

Nach Angaben der Senatsverwaltung für Gesundheit sind zwischen 2001 und Oktober vorigen Jahres 58 Kinder in Berlin anonym abgegeben oder geboren worden: 33 wurden in der Babyklappe und vier im Krankenhaus abgegeben. Acht Säuglinge wurden im Krankenhaus zurückgelassen und 13 anonym zur Welt gebracht. Die Zulässigkeit der Babyklappen und der anonymen Geburt ist rechtlich umstritten. Babyklappen und anonyme Geburt sind in Deutschland noch nicht rechtlich legalisiert; für Frauen bleibt die Abgabe eines Kindes in der Babyklappe aber straffrei. „Bisher gab es keinen Fall mit strafrechtlichen Konsequenzen“, sagt Klaus Vetter.

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