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Berlin: Bahnbrechende Zwischenlösung für die U5

Der Stadtentwicklungssenator will zwischen Lehrter Bahnhof und Pariser Platz eine Investitionsruine beleben – im eingleisigen Pendelverkehr

Als die Casting-Popgruppe „Overground“ am Montagabend auf Pro7 durch den Untergrund hüpfte, war die Betonkulisse wieder eindrucksvoll: hohe Halle, große Pfeiler und von oben einfallendes, natürliches Licht. Der Fernsehsender sprach von einem „stillgelegten Bahnhof“ im Regierungsviertel. Der Bahnhof Reichstag, entworfen vom Kanzleramts-Architekten Axel Schultes, ist aber nie eröffnet worden. Seit gut drei Jahren dient der Rohbau nur für schillernde Veranstaltungen, Filmaufnahmen und Ausstellungen. Stadtentwicklungssenator Peter Strieder will ihn nun wirklich als U-Bahnstation nutzen: Als Mittelteil der Kurzstrecke U5 zwischen Hauptbahnhof/Lehrter Bahnhof und Pariser Platz mit einer Station „Brandenburger Tor“.

Die Tunnelrohbauten sind längst fertig, auf dem Mittelstreifen vor dem Adlon ist noch Platz für einen Bahnhofsausgang. Schon 2006, zur Fußball-Weltmeisterschaft, könnte nach Strieders Vorstellungen ein einspuriger Pendelverkehr zwischen den drei Stationen starten. Einzelheiten will er noch mit dem Bundesverkehrsministerium und dem Bundestagsausschuss für Rechnungsprüfung erörtern. Auch der Senat muss noch entscheiden. Rund 250 Millionen Euro stecken bereits in der Erde, jährlich kommen Unterhaltungskosten von weit mehr als 100000 Euro hinzu. Der Senat hatte sich zum Ärger des Bundes entschieden, die so genannte Kanzlerlinie aus Kostengründen vorerst nicht zu bauen. Dabei hätte der Bund den größten Teil der Gesamtkosten von 500 Millionen Euro bezahlt, Berlin nur noch ein Zehntel davon aufbringen müssen, so viel, wie ein U-Bahnhof am Pariser Platz kosten könnte. Der Bundesrechnungshof regte Rückzahlungsforderungen in Höhe zwischen 130 und 160 Millionen Euro an. Geld, das der Bund bereits für die Planung der gesamten Linienverlängerung zwischen Alexanderplatz und Lehrter Bahnhof vorgeschossen haben soll. In den vergangenen Monaten suchte der Senat nach Auswegen aus der Sackgasse. Strieder hatte bereits Anfang des Jahres angekündigt, er wolle einen Pendelverkehr zwischen Pariser Platz und künftigem Hauptbahnhof prüfen lassen. Damit erhielte nicht nur dieser Bahnhof einen weiteren Anschluss an das Schnellbahn-Netz, Berlin könne auch die Rückzahlung an den Bund vermeiden. Der TÜV hatte das Konzept einer fahrerlosen Bahn entwickelt.

Die Zwischennutzung kostet vermutlich rund 22 Millionen Euro. Von einer Verlängerung der U5 (die zwischen Alexanderplatz und Hönow verkehrt) habe man sich nie verabschiedet, versicherte die Senatsverwaltung. Jetzt sei es an der Zeit, die vorhandenen Investitionen zu nutzen und sich darüber mit dem Bund zu verständigen. Das Bundesverkehrsministerium äußerte sich gestern zustimmend. Alexander Kaczmarek, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, hielt Strieders Konzept allerdings für „mehr als peinlich“. Die Mini-U-Bahn ohne Anschluss an das U-Bahnnetz werde ein Minusgeschäft. Die einzig sinnvolle Lösung sei der komplette Ausbau der U5 bis zum Alexanderplatz. Michael Cramer von den Bündnisgrünen sprach von einer „Stummel-U5“ als „Placebo“ für den Bundesrechnungshof.

Christian van Lessen

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