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Berlin: Banden verursachten 187 Millionen Mark Schaden

BERLIN .Die organisierte Kriminalität bedroht Berlin gleichbleibend stark.

BERLIN .Die organisierte Kriminalität bedroht Berlin gleichbleibend stark.Im vergangenen Jahr ermittelte die Polizei 88 Komplexe organisierter Kriminalität mit insgesamt 5900 Straftaten.Das sagten Innensenator Jörg Schönbohm (CDU), Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) und Polizeipräsident Hagen Saberschinsky am Freitag.Erstmals stellten Justiz- und Innenbehörde gemeinsam einen Lagebericht zum Thema vor.Der durch organisierte Banden verursachte Schaden betrug demnach 187 Millionen Mark.Ein Jahr zuvor betrug die Schadenssumme nur 20 Millionen Mark.

Auffallend hoch ist der Anteil ausländischer Tatverdächtiger.Nahezu zwei Drittel der 580 Verdächtigen trugen ausländische Pässe bei sich.Bei den Festnahmen zeigt sich, daß sich die Banden zunehmend mit schweren Waffen ausrüsten.Zur Zeit sind zahlreiche Verfahren gegen die sogenannte Kopfgeldjäger-Bande anhängig.

Der Gruppierung überwiegend türkischer Mitglieder werden Morde, Entführungen und Schutzgelderpressungen vorgeworfen.Vor allem kurdische Einrichtungen sollen von der Bande heimgesucht und erpreßt worden sein.Zur Zeit läuft gegen drei Mitglieder der Bande ein Prozeß wegen versuchten Mordes vor dem Berliner Landgericht.Bei dem Fall geht es um einen geplanten Sprengstoffanschlag auf ein kurdisches Lokal.

Am häufigsten gingen der Polizei im vergangenen Jahr Autoschieber-Banden ins Netz.123 Fälle von Schmuggel meist hochwertiger Autos registrierten die Ermittler (Vorjahr: 131).Es folgen Rauschgifthandel mit 33 Ermittlungsverfahren (54) und Versicherungsbetrug (31/39).Neun Menschen wurden von organisierten Banden ermordet.Beim Drogenhandel streiten sich vor allem arabische Gruppen um die Anteile am Geschäft mit der Abhängigkeit.Nur der Handel mit Cannabis ist nach den Erkenntnissen der Polizei in deutscher Hand.Geldwäsche wird vor allem von russischen Gruppierungen betrieben.Die Mehrheit der Spielsalons gehört nach Polizei-Erkenntnissen russischen Gruppierungen.

Die Justiz verurteilte im vergangenen Jahr fast doppelt so viele Täter wie im Jahr zuvor.Die Zahl der Verurteilungen mit Haftstrafen über zwei Jahren hat von 62 auf 119 zugenommen.165 Personen wurden im vergangenen Jahr zu geringeren Strafen verurteilt.Darunter fallen auch Urkundenfälscher, die die Banden mit gefälschten Pässen und Identitäten versorgen, um sich dem Zugriff der Polizei zu entziehen.

Zur Zeit kursieren nach den Erkenntnissen der Ermittler gefälschte griechische Pässe in der Stadt, mit denen Südost-Europäer einen dauerhaften Status erreichen wollen.Bei gezielten Kontrollen unter Vietnamesen in Berlin hatte die Polizei insgesamt 5000 vietnamesische Führerscheine untersucht - nur fünf davon waren echt.

Um in Zukunft kriminelle Gewinne besser abschöpfen zu können, wird nach Angaben Schönbohms im Landeskriminalamt eine Abteilung mit zusätzlich 50 Beamten eingesetzt, die nach dem neuen Geldwäschegesetz gegen mafiöse Banden vorgehen soll.Auch die Staatsanwaltschaft werde personell verstärkt, um die Ermittlungsverfahren zu beschleunigen.

In einer ersten Reaktion auf den Lagebericht forderte der innenpolitische Sprecher der CDU, Roland Gewalt, künftig kriminelle Ausländer bei Haftstrafen von mehr als einem Jahr abzuschieben.Bislang ist dies bei Straftätern möglich, die mindestens dreijährige Haftstrafen verbüßen.

Ohne ihn läuft in der Unterwelt nichts

Für die Polizei ist Mohaiddine Al-Zein ein führender Drogenpate

BERLIN (weso).Für die Polizei ist er eine der führenden Berliner Unterweltgrößen, ein Drogenpate, für das Gericht nur ein "kleiner Gehilfe".Bekannt ist er aber unter dem Titel "Der Präsident": Mohaiddine Al-Zein ist Clanchef über mehrere 100 Sippenangehörigen, die im gesamten Westeuropa und in Südamerika leben.Daß er am Dienstag vergangener Woche zu lediglich 2 Jahren 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, der bestehende Haftbefehl wegen fehlender Fluchtgefahr aufgehoben wurde, und er den Gerichtssaal als einziger der neun Verurteilten durch den Haupteingang verließ, hat den Ruf der strafrechtlichen Unberührbarkeit des Sozialhilfeempfängers in der Unterwelt deutlich aufgewertet.

1982 kam Al-Zein mit seiner Familie nach Berlin und stellte einen Asylantrag.Damals wies er sich mit einem gültigen libanesischen Paß aus.Der erste Asylantrag wurde 1986 rechtskräftig abgelehnt.Mehrere Versuche scheiterten, ihn abzuschieben.Zwischenzeitlich verlor der Mann seinen Paß und gilt seither als staatenlos.In den Libanon kann er deshalb nicht abgeschoben werden, denn das Land nimmt nur Bürger mit gültigen Papieren auf.Inzwischen ist der 31jährige Vater von sieben Kindern - das achte ist unterwegs - und erhält monatlich über 5500 DM Sozialhilfe.

Im Berliner Rotlichtmilieu ist er eine bekannte Größe.In einem bereits am 8.November 1996 ausgestrahlten ARD-Bericht unter dem Titel "Der Rotlichtprinz" wird Mohaiddine Al-Zein mit den Worten vorgestellt: "Er ist der starke Mann in der Berliner Unterwelt.Ohne ihn läuft zumindest im Westteil der Stadt nichts." Al-Zein hält auch seine schützende Hand über den als "Rotlichtprinzen" titulierten Betreiber von Nachtclubs am Stuttgarter Platz, Steffen J.Bei Problemen genüge ein Telefongespräch: "Er muß nur anrufen.Es wird geregelt, noch ehe er es merkt", brüstete sich Al-Zein.

Für das Gericht, das vergangene Woche über den wegen Drogenhandels, Körperverletzung und räuberischen Diebstahls vorbestraften Libanesen zu urteilen hatte, ist er aber nur ein "kleiner Gehilfe".Allerdings einer, der es schaffte, mit einem Telefonanruf in Holland einen Drogendeal zu organisieren, der kurz vor dem Scheitern stand.Das gab der Mann vor dem Richter auch zu.Und er räumte ein, daß er in einem anderen Fall seinen Mietwagen zum Rauschgifttransport zur Verfügung stellte.Die Polizei vermutet, daß Al-Zein auch Schutzgelder erpreßt.Beweisen ließ sich das bisher aber nicht.

JENS ANKER

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