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Berlin: Bangen um die Brauerei

Neukölln ohne Kindl? Fast undenkbar. Doch schon bald könnte es so weit sein

Neukölln bangt um einen Traditionsbetrieb: Offenbar ist die Existenz der Kindl Brauerei mit 280 Mitarbeitern bedroht. Das Bier könnte in Zukunft in der Berliner-Schultheiss-Brauerei in Hohenschönhausen produziert werden, die wie Kindl zur Radeberger Gruppe gehört. „Wenn nur einer der beiden Standorte erhalten bleibt, ist Hohenschönhausen im Gewerbegebiet der wahrscheinlichere Kandidat als die Kindl-Brauerei mitten in Neukölln“, sagte Edmund Mayer, Vorsitzender des Landesbezirkes Ost der Gewerkschaft Nahrung, Genuss Gaststätten (NGG).

Anlass für die Befürchtung gab am Wochenende ein Interview von Ulrich Kallmeyer, dem Chef der Radeberger Gruppe, in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Darin hatte er einerseits neue Investitionen und andererseits Kosteneinsparungen angekündigt. „Wir werden eine Brauerei mit hohen Investitionen ausbauen“, hatte Kallmeyer angekündigt. Zugleich sagte er: „Insgesamt müssen die Kapazitäten runter.“ Der nötige Stellenabbau solle aber sozialverträglich geregelt werden. Wie ein Radeberger-Sprecher am Montag bestätigte, soll darüber ab Januar mit den Betriebsräten verhandelt werden.

Radeberger gehört zum Bielefelder Oetker-Konzern. Im Februar hatte Radeberger die Brau und Brunnen AG, zu der die Brauerei in Hohenschönhausen gehört, für 360 Millionen Euro gekauft. Dort brauen 450 Mitarbeiter unter anderem Berliner Pilsner und Schultheiss.

„Wir sind uns darüber klar, dass zwei Braustätten der Oetker-Gruppe in Berlin vor dem Hintergrund des rückläufigen Biermarktes auf Dauer nicht zu halten sind“, sagte NGG-Landeschef Mayer, der auch im Aufsichtsrat der Brau und Brunnen AG sitzt. Ziel der Gespräche mit der Unternehmensleitung werde es sein, dass es bei einer Zusammenlegung der Produktion nicht zu betriebsbedingten Kündigungen komme. Man werde mit Radeberger über Arbeitszeitverkürzungen und Vorruhestandsregelungen verhandeln. Die Betriebsräte wollten sich vor den für Januar geplanten Gesprächen nicht äußern. Die Schließung einer der beiden Berliner Standorte sei aber noch nicht hundertprozentig sicher, hieß es.

Für Neukölln wäre der Verlust der Brauerei ein schwerer Schlag. „Das wäre eine Katastrophe für den Bezirk“, sagte Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky. „Für Neukölln geht es um mehr als die 280 Arbeitsplätze“, sagte Buschkowsky. „Die Stadt Rixdorf entstand einst um die Brauerei herum, sie gehört zur Seele des Bezirks.“

Der Bezirksbürgermeister will an die Radeberger Gruppe appellieren, den Standort zu erhalten. „Wird die Brauerei aufgegeben, entsteht mitten im Zentrum eine riesige Brache“, sagte Buschkowsky. Das Gelände der Kindl-Brauerei liegt im Neuköllner Rollbergviertel. Der Kiez ist einer der ärmsten Berlins und geprägt durch hohe Arbeitslosigkeit und einen hohen Ausländeranteil.

Hintergrund der Brauereikrise ist der sinkende Bierdurst der Deutschen. Trank der Durchschnittsbürger vor zehn Jahren noch 138 Liter pro Jahr, sind es 2004 wohl nur noch rund 115 Liter. Die Branche hatte schon mehrfach mit Kapazitätsanpassungen reagiert. So schlossen in den Neunzigerjahren die Schultheiss-Brauereien in Kreuzberg und Spandau. Auch Bärenquell in Niederschöneweide und Engelhardt in Charlottenburg drehten den Hahn zu. Zugleich drängen auswärtige Biermarken in die Hauptstadt, inzwischen haben sie über 50 Prozent Marktanteil.

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