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BAnkraub-Urteil: Einer aus der Tunnelgang ist frei

Mehr als 13 Jahre nach dem spektakulärsten Bankraub in der Berliner Nachkriegsgeschichte, ist das letzte Kapitel geschlossen wurde. Ali I. muss nicht mehr ins Gefängnis.

Für das letzte Kapitel Tunnelgangster benötigte das Gericht knapp sechs Stunden. Mehr als 13 Jahre nach dem spektakulärsten Bankraub der Berliner Nachkriegsgeschichte saß mit Ali I. ein geständiger und im Libanon wegen des Coups bereits bestrafter Mann auf der Anklagebank. „Ich hätte nie gedacht, dass die Deutschen noch Interesse an mir haben“, erklärte der 33-Jährige und sprach über Folter, die er in libanesischer Haft erlebte. Am Ende gab es für ihn eine vierjährige Jugendstrafe. Ins Gefängnis aber muss er nicht mehr.

Ali I. war 19, als er Sand aus dem Tunnel schleppte, durch den die Gangster später vor der Polizei flüchten konnten. Ein Kumpel seines Bruders Dergham I. habe ihn angeheuert. Er lockte den jungen Ali: „Da gibt es eine schöne Sache für dich, du kannst heiraten, ein Auto und ein Haus kaufen.“ Und Khaled Al B., der später als ein Haupttäter des Überfalls ermittelt wurde, sagte: „Du wirst nur Sand fahren.“

Eineinhalb Jahre gruben die Gangster. „Ich dachte lange, dass nur ein Einbruch geplant ist“, sagte der Angeklagte. Spätestens am 27. Juni 1995, dem Tattag, aber habe er gewusst, dass Lösegeld erpresst werden sollte. Vier schwer bewaffnete Männer stürmten in die Commerzbank-Filiale in Schlachtensee. 16 Menschen wurden als Geiseln genommen. Nach zähem Verhandeln um Lösegeld, Fluchtauto und Hubschrauber stürmte ein Spezialeinsatzkommando der Polizei die Bank am 28. Juni um 3.45 Uhr. Die Geiseln blieben unverletzt. Die Täter aber waren mit ihrer Millionenbeute längst durch den 170 Meter langen Tunnel geflüchtet.

Neben dem Lösegeld in Höhe von 5,3 Millionen Mark hatten sie den Inhalt von etwa 200 Schließfächern ins Freie geschleppt. Bis heute ist unklar, wie hoch die Beute insgesamt war. Die Ermittler gingen von bis zu 16 Millionen Mark aus. Nur ein Teil wurde gefunden. Dafür kamen die Fahnder den Räubern bald auf die Spur. Nur wenige Wochen später saßen die ersten Verdächtigen. Fünf Räuber, darunter Dergham I. und Khaled Al B., wurden 1996 zu Haftstrafen von sechs bis 13 Jahren verurteilt. Ali I. war es nach dem Überfall zwar gelungen, sich in den Libanon abzusetzen. Dort aber wurde er drei Monate später festgenommen und wegen des Bankraubes verurteilt. Drei Jahre und zehn Tage verbüßte er. Eine Zeit voller Qualen.

„Eine beliebte Foltermethode war es, mich wie ein Huhn an die Stange zu hängen und zu schlagen“, sagte er. „Ich galt als reicher Straftäter und war Erpressungsversuchen ausgesetzt.“ Khaled Al B. aber habe ihm für die Arbeiten am Tunnel lediglich 7000 Mark gegeben. 1998 kam Ali I. frei. Er heiratete, ging 2001 nach Schweden und nannte sich Rodi I. Er ist inzwischen dreifacher Vater, hat die schwedische Staatsbürgerschaft und ließ sich nichts zuschulden kommen. Im Juni aber wurde er erneut verhaftet. Berliner Ermittler waren ihm auf die Spur gekommen. Ihnen genügten die drei Jahre Haft nicht.

Die Haft im Libanon wurde ihm nun doppelt angerechnet. Demnach hat er sechs Jahre verbüßt. Hinzu kommen sechs Monate Auslieferungs- und Untersuchungshaft. „Selten sind die Urteile, die ich ausspreche, so bedeutungslos“, sagte der Richter. Rückblickend sei festzustellen: „Dieses Verfahren hätte man sich sparen können.“ 

Kerstin Gehrke

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