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Berlin: Bei den Ausländern liegt die SPD traditionell vorn

Die Parteien bemühen sich um die 50 000 Berliner mit türkischer Abstammung

In Neukölln stellt die PDS eine in Kurdistan geborene Direktkandidatin auf, die Grünen geben ihre Parteizeitung „Stachel“ auf Türkisch heraus. Die CDU hat einen eigenen deutsch-türkischen Arbeitskreis und Bayerns Innenminister Beckstein (CSU) verkündete unlängst, er wolle die Visapflicht für Familienbesuche aus der Türkei lockern: Die Parteien haben das Potenzial türkischstämmiger Wähler längst erkannt, ihren Wahlkampf darauf eingestellt.

Rund 500 000 Türken haben nach Angaben des Zentrums für Türkeistudien einen deutschen Pass, das sind etwa 0,8 Prozent der Wahlberechtigten. In Berlin leben rund 50 000 Türkischstämmige, rund 2 Prozent der Wahlberechtigten. „Das ist nicht viel, aber auch nicht zu vernachlässigen“, sagt der Leiter des Zentrums, Faruk Sen. Eingebürgerte Türken bevorzugen die SPD – darauf lassen Umfragen schließen. 65 Prozent der Türkischstämmigen geben an, die SPD zu wählen, 18 Prozent die Grünen, 12 die CDU, 3 die FDP. Das bekam der Mannheimer Politologe Andreas Wüst heraus, der ZDF-Umfragen bei über tausend Eingebürgerten ausgewertet hat. Jüngste Umfragen des Zentrums für Türkeistudien kommen zu einem ähnlichen Resultat.

Die Präferenz für die Sozialdemokraten habe Tradition, sagt Wüst, sie gälten als „ausländerfreundlich“. Die Unionsparteien würden bei Themen wie der Integration dagegen als weniger glaubwürdig wahrgenommen. Die jüngere Generation habe die Sympathien für die SPD übernommen. Etliche türkische Einwanderer wählten, wie es schon im Elternhaus üblich war, sagt Özcan Mutlu, Abgeordneter der Grünen im Abgeordnetenhaus. Diese hätten schon in ihrer Heimat den türkischen Sozialdemokraten nahe gestanden. In Wahlkreisen mit türkisch-stämmigen Kandidaten sei die Parteizugehörigkeit allerdings zweitrangig, sagt Mutlu. Dort zähle die türkische Identität.

Die überdurchschnittlichen Prognosen für die Grünen führt Mutlu auf eine auf türkische Belange ausgerichtete Kommunalpolitik zurück. Ausschlaggebend seien aber auch die rot-grünen Reformprojekte zur Staatsbürgerschaft und zur Einwanderung.

Achten Türkischstämmige in erster Linie auf „Ausländerthemen“? „Die Zuwanderungs- und die Türkeipolitik spielen eine Rolle“, sagt Faruk Sen. Bundeskanzler Schröder gelte als Fürsprecher eines EU-Beitritts der Türkei. Nach Erkenntnissen des Politologen Wüst sehen eingebürgerte Deutsche jedoch fast die selben politischen Themen als wichtig an wie die gebürtigen Deutschen. „Ausländerspezifische Themen sind etwas wichtiger, doch das Top-Thema Arbeitslosigkeit dominiert auch bei türkisch-stämmigen Deutschen.“ Nach Umfragen können sich über die Hälfte der Türkischstämmigen nicht vorstellen, CDU oder CSU zu wählen. „Alles, was ein C im n trägt, ist nicht attraktiv“, sagt Andreas Wüst.

Grundsätzlich könne das konservative Lager aber Wähler im türkischen Milieu gewinnen. Denn Werte wie Familiensinn, Glaube, Respekt vor dem Alter haben dort viel Gewicht. Die CDU bekomme viele Stimmen von türkischen Unternehmern, sagt Celil Senman, Vorsitzender des CDU-Arbeitskreises Deutsch-Türkisches Forum. Von „jungen, erfolgreichen Türken, die ein Unternehmen gründen“, aber auch von Etablierten, ob Döner-Kebab-Laden-Besitzer oder Obstverkäufer. Tobias Arbinger

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