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Berlin: „Bei mir lachen die Leute auch ohne Pointe“

Die Neuköllner kommen groß raus: Detlev Buck dreht dort „Knallhart“, Kathrin Passig gewinnt den Bachmann-Preis und Kurt Krömer erobert die ARD.

Kurt Krömer, 31, ist eigentlich Alexander Bojcan und stammt aus Neukölln. In der Sendung „Bei Krömers“ lädt er einmal die Woche prominente Gäste in seine Wohnung ein, ab Montag zu sehen im Ersten Programm. Der Komiker hat eine Lehre abgebrochen und auf dem Bau gearbeitet; mittlerweile lebt er in Kreuzberg.

Interview: Annabel Wahba Herr Bojcan, Sie sitzen hier mit einer Hose, die Ihnen zu groß ist, Hosenträgern und einer Hornbrille. Tragen Sie das auch, wenn Sie ausgehen?

Ich gehe nicht aus, ich bleibe immer zu Hause. Und Sie brauchen nicht zu glauben, dass ich hier verkleidet bin. Ich trage gerne elegante Stoffhosen, nur eben zwei Nummern zu groß. Ich habe eine Lehre als Herrenausstatter abgebrochen, und meine Kleidung ist eine späte Rache: Eine Hose darf ruhig zwei Nummern zu groß sein.

Am Telefon melden Sie sich mit Kurt Krömer. Wer sind Sie denn nun?

Sie reden mit einem Clown. Den Namen Krömer habe ich mir sogar in den Pass eintragen lassen, ich kann damit am Flughafen einchecken. Krömer ist leichter zu merken und zu schreiben als Bojcan, das ist der Grund.

Alexander Bojcan und Kurt Krömer, der Comedian, der im Fernsehen und auf der Bühne so erfolgreich den fröhlichen Asozialen mimt – das sind also zwei Personen in einer.

Ich komme da auch immer durcheinander, ich werde leicht schizophren gerade. Also, Alexander Bojcan ist in Neukölln geboren und in Wedding aufgewachsen. Kurt Krömer auch. Zwei Menschen sind da geboren. Die Vita der beiden ist dieselbe. Die Fragen, die ich zum Beispiel in der Sendung „Bei Krömers“ den Gästen stelle, sind meine Fragen, nicht die einer Figur.

Dafür klingen die aber manchmal sehr simpel.

Was?! Wir machen jetzt mal Ihr Tonband aus, dass ich schreien kann. Das muss ja nicht jeder mitkriegen!

Verzeihung, aber Sie fragen Ihren Gast Jean Pütz, der 30 Jahre lang die Hobbythek im WDR moderiert hat, als Erstes: Wie kamen Sie eigentlich auf die Idee, die Hobbythek zu machen?

Ja, das ist genau das Ding. Die Knallerfrage kurz vor Weihnachten wäre dann: Haben Sie schon einen Weihnachtsbaum? So was dürften Sie mich hier nicht fragen. Sonst würde Ihr Chef Sie fragen: Sagen Sie mal, hamse was getrunken auf Arbeit?

So ungefähr.

Aber ich lese mir schon einiges durch über meine Gäste, und dann picke ich mir die Sachen raus, die ich interessant finde. Gregor Gysi hat mal in einem Rinderbesamungsbetrieb gearbeitet, abgekürzt heißt das RBB. Viele Geschichten, die ich auf der Bühne erzähle, habe ich selbst erlebt.

Zum Beispiel?

Ich habe da einen Sketch, der ist mindestens 47 Jahre alt, und der geht zurück auf meine Hospitanz an einer Schauspielschule. Da saß ich in der Ecke, um zuzugucken, und Dörte kam rein, die sollte ihre Hausaufgaben vortragen. Die Übung war: Spielen Sie eine Toastscheibe, die gerade aus dem Toaster kommt. Das müssen Sie sich mal vorstellen! Ich habe mir in die Hosen gepullert vor Lachen. Dann bin ich von der Schule geflogen.

Den Namen Krömer haben Sie von Ihrem Deutschlehrer in der Schule übernommen.

Ja, den mochte ich sehr gerne. Der hat uns immer sehr lustige Aufsätze schreiben lassen: Erkläre einem Außerirdischen, was ein Überraschungsei ist. Da war ich voll im Schreibfluss, habe vier oder fünf Seiten geschrieben. Danach stand drunter: Thema total verfehlt, aber blühende Fantasie. 1+

Sie gingen gern zur Schule?

Nee, ich fand Schule echt grausam, gleichzusetzen mit Gefängnis. Ich habe in der zehnten Klasse jeden Tag ein Kreuz gemacht, bis es vorbei war. Eine ehemalige Lehrerin, Frau Keiler, sagte mal in einem Interview mit einer Obdachlosenzeitung, ich hätte unter dem Applaus des Lehrerkollegiums die Schule verlassen.

Später sind Sie nach Neukölln zurückgezogen. Gab es Unterschiede zwischen Wedding und Neukölln?

Wedding fand ich fast noch brutaler als Neukölln. Als ich zwölf oder 13 war, gab es die ersten Aktionen. Gewalt an Schulen – wenn ich das jetzt höre mit der Rütli-Schule, das waren ja alles Sachen, die habe ich damals kurz vor dem Mauerfall auch schon erlebt. Da wurde Geld abgezockt und die Jungs liefen mit Messern rum. Also macht mal nicht den Kindern heute den Vorwurf, das Problem existiert schon seit ein paar Jahren. Ich war nicht so der Schlägertyp. Jacken wurden mir auch nicht weggenommen, meine Sachen wollte eh keiner haben. Ich war mit meiner Mutter immer bei C & A oder bei H & M. Den anderen haben sie die Jacken abgezogen und dann mir geschenkt, damit ich was Anständiges zum Anziehen hatte.

Das klingt jetzt nicht so schlimm.

Nee, im Ernst, natürlich gab es da schon Gangs im Wedding, ich war nicht drin. Meine Clique hat auch viel Scheiße gemacht, aber wir haben nie Leute abgezogen.

Was haben Sie angestellt?

Ach, was weiß ich. Ist das schon verjährt?

Jetzt müssen Sie erzählen!

Naja, wir haben in den Sommerferien mal die Scheiben unserer Grundschule eingeschlagen und das Haus besetzt. Da haben wir dann unsere Kinderparty gefeiert mit Chips und Cola und lauter Musik. Natürlich kam dann die Polizei, und wir sind alle abgehauen. Doch die Lehrer fanden mich schon auch lustig. Ich habe meine Lehrerin Frau Keiler später wiedergetroffen, die sagte: Wenn ich nicht immer so über Dich hätte lachen müssen, hätte ich Dich ganz schnell rausgeschmissen.

Sie waren der Klassenclown.

Ich war dick gewesen in der Pubertät. Und damals, so in der siebten Klasse, wirst du natürlich aufgezogen damit. Und da habe ich gemerkt, dass ich mir durch meine Sprüche Respekt verschaffe. Ich konnte verbal unheimlich gut kontern, und dann ist Ruhe eingekehrt. Das habe ich natürlich auch bei den Lehrern angewandt

Womit haben Sie die Lehrer zur Weißglut gebracht?

Na, mit andauernden Fragen, bis die Lehrer einen roten Kopf bekamen: „Was haben Sie gerade gesagt?“ Dann der Lehrer: „Ich sagte: Die Hypotenuse steht der Kathete gegenüber.“ – „Ach die Kathete.“ – „Ja.“ – „Ist das der grüne Strich?“– „Jaja.“ – „Und die Hypotenuse, was ist das noch mal?“ Tja und dann ist die Bombe meistens geplatzt.

Sie sind stolz darauf, dass Sie aus einer Arbeiterfamilie kommen. Ihre Herkunft scheint Ihnen sehr wichtig zu sein.

Mein Vater war ein politischer Arbeiter, der auch demonstriert hat und Sticker von der Alternativen Liste trug. Wir haben zwei Jahre auf dem Land in Westdeutschland gewohnt, da stach der schon hervor mit seinen langen Haaren und den Platten von Ton Steine Scherben. Aber er war nicht der klassische Hippie, der in einer Kommune leben wollte, sondern er hat jeden Tag seine acht, neun Stunden gearbeitet. Er hat sich nie verraten. Viele Hippies, die ich von früher kenne, haben jetzt ihre Rechtsanwaltskanzlei in der Fasanenstraße und eine Villa im Grunewald.

Ein bisschen Koketterie ist da aber auch dabei, wenn Sie sich als Arbeitersohn darstellen.

Keiner in meiner Familie hat Abitur gemacht.

Sie hatten offenbar nur keine Lust auf Schule.

Naja, ich war faul und die Noten so schlecht, dass ich nach der 10. abgehen musste. Danach habe ich Hilfsarbeiterjobs gemacht, auf dem Bau, in der Putzkolonne. Die Sachen, die ich brauche, habe ich mir selber beigebracht, so dass ich mich sehr gut mit Intellektuellen unterhalten kann.

Wenn Sie einem Fremden Ihren Stadtteil zeigen würden, wohin bringen Sie den?

In die Karl-Marx-Straße, zum Richardplatz und dann zum Nachbarschaftsheim in der Nähe. Da habe ich die Schirmherrschaft übernommen. Die Kids aus dem Stadtteil bekommen Hausaufgabenbetreuung, machen Computer-Workshops und haben Theatergruppen. Sehr gerne mag ich auch die Flughafenstraße mit ihren vielen Dönerläden, obwohl die sehr laut ist. Ich mag das Gewusel, den Markt am Maybachufer, das Café Rix. Da sitzt die türkische Mutti mit ihrem kleinen Kind, aber auch der Bauarbeiter und der Intellektuelle. All das habe ich vermisst, als ich mal kurzzeitig in Mitte gewohnt habe. In Neukölln sind die Menschen echt, hier spielt keiner irgendjemand was vor.

Das Bild, das Sie als Kurt Krömer von Neukölln zeichnen, ist ganz schön romantisierend.

Naja, Neukölln ist ein Schlagwort, Neukölln ist Arbeiterklasse, und damit spielen wir. Immer nur zu schreiben „Endstation Neukölln“ …

... so hieß ein „Spiegel“-Artikel von 1997, der mit den Worten begann „High Noon in Rixdorf: In der Neuköllnischen Allee peitschten mehrere Schüsse über die belebte Straße.“

Es ist ja nicht so, dass du mit einem Stahlhelm durch Neukölln laufen musst. Aber ich bin auch kein sozialkritischer Komiker, der die Welt verändern will. Ich habe immer das Gefühl, die Leute in Neukölln meistern das irgendwie. Wir nehmen das dann auf in die Sendung. Lucy von den „No Angels“ zum Beispiel, die hatte bei ihrem Besuch Löcher in der Jeans, und dann fragt Mama Krömer: „Wurdest du angeschossen am Hermannplatz?“ Oder ich sage in meinem Programm: „Ich habe Abitur an der Rütli-Schule gemacht“, dann wissen sie auch in Niederbayern Bescheid.

Detlef Buck, der für seine Komödien bekannt ist, hat Neukölln in seinem letzten Film „Knallhart“ alles andere als komisch dargestellt.

Ja, das war schon gut recherchiert. Die Brutalität der Kids, so läuft das ab. Aber es ist ja nicht das Problem, dass türkische oder arabische Kinder in den Klassen sind, sondern dass dieses Schulsystem an sich dazu verleitet, dass sie Grüppchen bauen. Die Türken reden nicht mit den Arabern, die Araber reden nicht mit den Italienern, und die Deutschen nicht mit den Ausländern. Das ist ein bisschen das Problem der Politik gewesen, man hätte sich früher darum bemühen müssen, dass alle mehr zusammenkommen.

Und wie geht das?

Ich war zum Beispiel in einem integrierten Kinderladen, wo der Mix richtig gut war, die haben Wert darauf gelegt, dass viele Nationalitäten da sind und auch behinderte Kinder im Rollstuhl. Da wussten wir gleich, alles klar, der hat halt ein kleines Handicap, aber gehört trotzdem dazu.

Kurt Krömer ist auch in seinem Programm politisch korrekt. Darf man über Ausländer und Arbeitslose Witze machen?

Eigentlich kann man über alles Witze machen, nur die Pointe muss dann richtig gut sein. Ich werde zum Beispiel keine kranken Leute verarschen. Ich habe mich auch nie ins Neuköllner Sozialamt gesetzt, um Stoff für mein Programm zu bekommen. Das finde ich einfach nicht lustig.

Und was ist mit muslimischen Fundamentalisten? Rudi Carrell hat mal einen Sketch gedreht, in dem der Ayatollah Khomeini in Damenwäsche wühlt.

Was habe ich denn davon, wenn ich meine muslimischen Mitbewohner verarsche? Ich mache mich nicht über Ausländer lustig, sondern über Ausländerfeinde. Ich mache doch auch keine Polenwitze, wie man sie vor zehn Jahren über Ostfriesen erzählt hat. Nur wegen der Pointe.

Sie sind mittlerweile nach Kreuzberg gezogen.

Ich habe in Neukölln in einer Zwei-Zimmer-Wohnung gewohnt und wollte mich vergrößern, noch ein Büro dazu haben. In der Zeitung habe ich eine Wohnung zwei Kilometer weiter gefunden, und das war dann halt Kreuzberg. Aber mein Kiez ist immer noch in Neukölln. Meine Bank ist da, mein Karstadt. Aber klar, viele, die in Neukölln wohnen, würden bestimmt auch gerne woanders wohnen. Ich bin da damals auch nur wieder hingezogen, weil die Mieten billig sind.

Je berühmter Kurt Krömer wird, umso mehr entfernt er sich von den Leuten in Neukölln. Gibt es einen Punkt, wo die Show nicht mehr funktioniert?

Wenn du aus einem Arbeiterbezirk kommst, wirst du das nicht ablegen. Bevor ich als Künstler Geld verdient habe, war ich Hilfsarbeiter. Abends bin ich dann ohne Honorar in Schöneberg in der „Scheinbar“ aufgetreten. Am Anfang ging es den Zuschauern am Arsch vorbei. Dann gehst du am nächsten Tag wieder auf den Bau.

Klingt deprimierend.

Ja, aber irgendwie dachte ich mir: Mach weiter, das wird schon. Außerdem hatte ich ja auch meine Lehre abgebrochen und mir alles verbaut, da konnte nur noch die Bühne kommen. Ich erinnere mich an die Zeiten, wo ich nur fünf Mark hatte und mir überlegt habe, holst du jetzt was zu essen oder kaufst du dir was zu rauchen. Dann habe ich meistens Tabak geholt, Van-Nelle-Tabak, weil ich wusste, der reicht drei Tage. Das kriegst du aus dem Kopf nicht raus. Ich hebe ja nicht ab und trage nur noch Schuhe aus Glas und lasse mich in einer Sänfte durch Berlin tragen. Obwohl, könnte man mal machen, durch Neukölln am besten.

Als echter Neuköllner: Haben Sie eine Tätowierung und einen Kampfhund?

Nee, ich habe kein Tattoo und eine Katze. Mein Vater hat den berühmten Anker auf dem Unterarm. Er hat sich später sehr drüber geärgert und sagte immer zu mir: Mach dir nie ein Tattoo.

Sie touren bald wieder durch Deutschland. Gibt es eigentlich regionale Unterschiede im Humor?

Unterschiede merkt man, wenn es dörflich wird. Einmal habe ich in einem kleinen Ort am Bodensee in einem umgebauten Kuhstall gespielt. Da braucht man manchmal schon die erste Hälfte, um den Leuten klar zu machen, der Onkel macht jetzt nur Spaß, Sie können reinrufen, wir können zusammen improvisieren. Zum Schluss hat das super geklappt. Der Osten kam bei meinen Touren erst spät dazu, mittlerweile ist Dresden mit am schönsten.

Warum?

Für viele bin ich der Ossi mit der Brille. Ich glaube, das liegt am Dialekt. In Ost-Berlin berlinern alle, egal ob Arbeiter oder Intellektueller.

Das Gute am Dialekt ist ja, dass auch der schlechteste Witz noch komisch sein kann.

Noch ein Schwertstich! Die Leser können das ja nicht sehen, aber mir rollen die Tränen runter! Abgesehen davon erzähle ich keine Witze. Ich erzähle lieber über fünf Minuten Geschichten, die keine Pointen haben.

Und trotzdem lachen alle. Gerhard Polt stand mal 13 Minuten auf der Bühne, ohne einen Ton zu sagen und das Publikum grölte. Ist das bei Ihnen auch so?

Naja, zwölfeinhalb Minuten vielleicht – wenn ich neben Polt stehe.

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