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Berlin: Beim Fest von "Focus" wurden Präsente im Wert von 900 Mark verteilt - nun ermittelt die Justiz wegen Vorteilsnahme und -gewährung

"Feiern, feiern, feiern" - unter diesem Motto hatte das Magazin "Focus" zu einem rauschenden Pressefest am 28. September vergangenen Jahres geladen.

"Feiern, feiern, feiern" - unter diesem Motto hatte das Magazin "Focus" zu einem rauschenden Pressefest am 28. September vergangenen Jahres geladen. Mehr als 1000 Gäste tanzten im Roten Rathaus bis spät in die Nacht. Elf Meisterköche boten feinste kulinarische Kost, Lou Bega servierte live seinen Megahit "Mambo Nr. 5". Fast das gesamte Bundeskabinett war gekommen, auch Mitarbeiter der Ministerien, Berliner Senatoren und viele Journalisten. Doch jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen "Focus" und gegen Bedienstete des Bundespresseamts und des Bundeskanzleramts.

Gesponsert wurde das Fest von mehreren Unternehmen, darunter die Firma "3com". Am Ausgang boten höfliche Hostessen von "3com" jedem geladenen Gast ein Präsent der außergewöhnlichen Art an: Einen "Palm V Organizer" im Wert von rund 900 Mark, eine Mischung aus elektronischem Notizbuch und Computer. Bundesbedienstete dürfen allerdings nach einer Vorschrift nur Geschenke im Wert bis zu 50 Mark annehmen. Bei höher liegenden Werten muss ein Staatsbediensteter entweder den Gegenwert an eine gemeinnützige Organisation spenden, es dem Amt überlassen oder aber das Gerät zurückgeben. Damit soll jeglicher Verdacht, es könne sich um eine Art Bestechung handeln, ausgeräumt werden.

Justizsprecher Martin Steltner bestätigte am Mittwoch, dass wegen des Verdachts der Vorteilsnahme beziehungsweise Vorteilsgewährung ermittelt wird. Der Vorgang firmiert unter dem Aktenzeichen 2/WiJs43-99. In der Justiz wird der Fall allerdings mit Vorsicht behandelt. Dem Wunsch des ermittelnden Staatsanwalts, die "Focus"-Redaktion zu durchsuchen, wollte die Verwaltung bislang nicht nachkommen.

Das Geschenk fand damals reißenden Absatz. "Lange Schlangen" habe es vor dem Stand gegeben, erinnert sich ein "Focus"-Gast. Insgesamt bot "3com" Rechner im Ladenwert von rund einer Million Mark an. Das noble Give away löste noch am Abend heftige Diskussion aus. "Ich fand das ein bisschen komisch", sagt der Sprecher von Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD), Ali Arslan. "Wir haben das Teil abgelehnt." Der stellvertretende Leiter des Bundespresseamts nahm dagegen an, beriet sich am nächsten Tag mit seinen Kollegen und ließ den Fall prüfen - anschließend löste der hochrangige Regierungsmitarbeiter das Gerät aus, indem er 899 Mark an "Ärzte ohne Grenzen" überwies. Ebenso verfuhr auch der persönliche Referent von Bundeskanzler Gerhard Schröder, Guido Schmitz. Berlins Innensenator Eckart Werthebach (CDU) steckte den Palm ein, schaute aber erst am nächsten Morgen tiefer in die Tüte. "Ich bin fast vom Stuhl gefallen, als ich das Ding gesehen habe", sagt Werthebachs Sprecherin Isabelle Kalbitzer. "Wir haben den Organizer gleich am nächsten Tag abgegeben." Das Gerät soll nun an gemeinnützige Einrichtungen weitergereicht werden. Ebenso verfuhr auch Umweltminister Jürgen Trittin (Bündnis 90 / Grüne), der das Gerät in die Asservatenkammer sandte. Zwei seiner Mitarbeiter lösten ihre Mini-Computer aus. Der Regierende Bürgermeister Diepgen (CDU), der "Focus" das Rathaus für 4000 Mark vermietet hatte, nahm nach eigenen Angaben ebenso keinen Palm an, wie auch Senator Strieder (SPD) und Senatssprecher Michael-Andreas Butz. Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Reinhard Bütikofer, steckte das Geschenk dagegen ein und arbeitet bis heute mit dem Palm. "Bütikofer hat extra einen Beschluss des Vorstands herbeigeführt, dass das in Ordnung geht", sagt Grünen-Sprecher Hans-H. Langguth. "Er nutzt das ja weit gehend für die Partei."

Der Leiter der Parlamentsredaktion von "Focus", Henning Krumrey, sagte gestern, "Focus" habe das für "nicht problematisch" gehalten, "sonst hätten wir uns der Gefahr nicht ausgesetzt." Aus seiner Sicht sprach und spricht noch immer nichts dagegen. "Focus" selbst habe nur eine Diskette mit wichtigen Adressen verteilt.

Holger Stark

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