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Berlin: Berlin, bleib so wunderbar

Wie kann die Stadt Zukunft gestalten? Ein Werkstattabend zum Konzept 2030.

Berlin ist die improvisierte Stadt, die hippe Metropole der Kreativen – trotz Haushaltsbremse und Rekordarbeitslosigkeit. Tastend näherten sich die rund 120 Teilnehmer während der dritten Werkstatt zum „Stadtentwicklungskonzept 2030“, die am Dienstag im Verlagshaus des Tagesspiegels zusammenkamen, an einen Befund Berlins heran. Er soll die Grundlage schaffen für die Formulierung von Prioritäten und Zielen zur Entwicklung Berlins. Und es ist ein Verdienst der Verwaltung von Senator Michael Müller (SPD), wie Tagesspiegel-Herausgeber Gerd Appenzeller betonte, dass ein derart breit angelegtes und „ehrgeiziges Projekt“ auf den Weg gebracht ist. Denn letztlich geht es um die konkrete Frage, welche Quartiere und welche Initiativen wie viel Geld aus der ziemlich leeren Landeskasse erhalten werden.

Deutlich wurde an diesem dritten Werkstattabend aber auch, dass die versammelten Experten aus Wirtschaft, Kultur, Stadtentwicklung und Sozialbranche letztlich doch dem Ruf ihrer jeweiligen Spezialisierung folgten. Über „die fehlende Wertschätzung von Kultur“ klagten etwa die Teilnehmer des Arbeitskreises „Kulturelle Vielfalt“, wie Moritz van Dülmen zusammenfasste. Der Chef der Kulturprojekte Berlin nannte als Symptom den Entwurf für das Stadtentwicklungskonzept 2030: Darin war der Kultur nicht einmal ein eigenes Kapitel gewidmet.

Dazu muss gesagt werden, dass van Dülmen den Kulturbegriff überzeugend aufzufächern verstand: Er grenzte ihn ab von hochsubventionierten „elitären Kulturinseln“ und beschrieb die Kultur als Werkzeug der Integration und Partizipation. Deutlich wurde dabei ein Berliner Paradox. Das Image der Stadt als attraktive Spielfläche für das junge experimentierfreudige Prekariat befeuert zwar dessen wirtschaftlichen Aufschwung: Die Abermillionen, die Touristen in die Stadt tragen, sind letztlich den hippen Quartieren von Kreativen zu verdanken. Doch diese Kultur ist aus Sicht van Dülmens „mehr Zufallsprodukt als Ergebnis aktiver Politik“. So schnell, wie sich die Baulücken schließen, so schnell drohe auch die Vitalität der Kreativ- und Gründerszene ihre Basis zu verlieren.

Der Chef der Technologie-Stiftung Berlin, Nicolas Zimmer, fasste die Ergebnisse zur „ökonomischen Prosperität“ zusammen. Gefällige Begriffe wie der Umbau zur „Smart City“ fielen auch an diesem Abend, klangen aber auch ein wenig wie der Ausdruck von Hilflosigkeit. Denn wie große Unternehmen an die Spree zu holen sein könnten, dafür gibt es kein Rezept. Dafür ist Berlin grün und reich an Freiräumen, diese Qualität gilt es zu erhalten. Keine leichte Übung, denn die Stadt wächst und deshalb wird ein gewaltiges Bauprogramm entfaltet. Der Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Christian Gaebler (SPD) schlägt deshalb vor, einige Flächen „dichter zu bebauen“, um andere dafür frei zu halten – Sportplätze auf Baumärkten nannte er als Beispiel. Aber es zeichnen sich Konflikte ab: Freiflächen mitten im Kiez trügen gewiss zur Lebensqualität bei, wenn aber Mitglieder der Spaßkultur den Gettoblaster dort aufdrehen, kippt schon mal die Stimmung unter Anwohnern.

Und damit war die vielleicht größte Herausforderung noch gar nicht genannt: „Wie gestaltet man eine sozial gerechte Stadt, die in allen Quartieren Angebote für alle hat?“, fragte der Soziologe Andreas Kapphan. Dass in der Politik und der Stadtgesellschaft Berlins ein ausgeprägtes soziales Gewissen besteht, lässt auf Antworten hoffen. Ralf Schönball

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