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Berlin: Berlin in Not – Unternehmer legen Sanierungsplan vor

Verband der Selbstständigen und Institut für Weltwirtschaft: Jährlich können vier Milliarden Euro durch Privatisierungen eingespart werden

Berlin ist offenbar gar nicht so arm dran, wie bisher befürchtet: Vier Milliarden Euro jährlich könnte die Hauptstadt einsparen, wenn der rot-rote Senat seine zahlreichen Unternehmensbeteiligungen und die Dienstleistungen der Bezirke privatisieren würde. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, die die Arbeitsgemeinschaft Selbstständiger Unternehmer (ASU) in Auftrag gegeben hat. „Berlin mangelt es nicht an Geld, sondern an Mut“, sagt ASU-Präsident Max Schön. Das 2003 vom Senat beschlossene Sanierungsprogramm reiche nicht aus, weil es Privatisierungen nur in Einzelfällen vorsehe.

Die IfW-Studie führt insgesamt 55 Unternehmen auf, an denen Berlin beteiligt ist: So unterhält das Land mit 11000 Kühen und Kälbern den größten Milchviehbetrieb Deutschlands, vertreibt Versicherungen und betreibt Großmarkthallen. Angesichts der Haushaltsnotlage sei es den Bürgern nur schwer zu erklären, warum sich das Land hier als Unternehmer betätigen muss, sagt Schön. Aber auch die Berliner Verkehrsbetriebe und die Bäderbetriebe stehen auf der Privatisierungsliste des IfW. Zumal laut Studie die meisten Beteiligungen Berlin finanziell belasten – sie bringen nichts ein, sondern kosten nur.

„Hier liegt das Problem“, sagt Matthias Kolbeck, Sprecher der Senatsverwaltung für Finanzen. Zwar stehe der Senator Privatisierungsvorhaben durchaus offen gegenüber, doch nicht jedes Unternehmen lasse sich so einfach verkaufen. Defizitäre Betriebe wie die BVG oder Vivantes müssten erst saniert werden, weil sie derzeit gar nicht marktfähig seien. „Und zu einem Schleuderpreis wollen wir nicht verkaufen“, sagt Kolbeck.

Die ASU hingegen bewertet das anders: Ein Verkauf, auch weit unter Preis, sei immer noch die bessere Lösung als eine weitere Bezuschussung, hieß es. Dass sich auch ein Käufer für einen defizitären Betrieb findet, setzen die Verfasser der Studie voraus – auch wenn sie kein konkretes Beispiel nennen. Und so haben sie einen systematischen Plan entwickelt, welche Landesbeteiligungen sich privatisieren lassen. Dabei bewerten sie auch den Schwierigkeitsgrad und die politische Durchsetzbarkeit. „Widerstand wird es von Seiten der Beschäftigten und der Politik geben“, sagte Hugo Dicke, Mitverfasser der Studie. Sein Modell sieht daher eine Reihenfolge für die Privatisierung der Landesbeteiligungen innerhalb eines Zeitraums von von zwei Jahren vor: Zuerst sind Unternehmen wie die Berliner Liegenschaftsfonds dran und zuletzt die BVG, die Bäderbetriebe oder der Zoologische Garten, weil hier mit größeren Widerständen zu rechnen ist.

„Dieser Privatisierungsfahrplan ist radikal, aber nur so kann Berlin wieder auf die Beine kommen“, sagte FDP-Fraktionschef Martin Lindner. Er war als Einziger der eingeladenen Politiker zur Präsentation der Studie im Park Inn Hotel erschienen. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit sei gefragt worden, hieß es bei der ASU. „Man hat uns gesagt, er könne nicht kommen, weil er zu diesem Zeitpunkt noch in Urlaub sei“, sagt Sprecherin Barbara Vogt.

Wowereit war gestern jedenfalls in Berlin. Am Mittag fand er Zeit, zur Geburtstagsfeier der Berliner Schauspielerin Brigitte Mira in Charlottenburg zu gehen. Warum Wowereit zu der Unternehmer-Veranstaltung nicht gekommen ist, konnte sein Sprecher Michael Donnermeyer gestern nicht beantworten.

Dagmar Rosenfeld

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