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Berlin: „Berlin ist das Labor Europas“

Ein Stararchitekt über die Signalwirkung der Stadt

Berlin wähnte sich im Boom der Wiedervereinigung bereits als Metropole von fünf Millionen Einwohnern. Von solchen Utopien hat sich die Stadt verabschieden müssen. Doch mit einem Mal ist wieder Wachstum angesagt. Wie beurteilen Sie die Chancen der Architekturentwicklung in Berlin?

Berlin ist und wird das europäische Architektur- und Stadtbaulabor bleiben. Nirgends gibt es vergleichbare Herausforderungen. Wir haben ja gerade erst begonnen, uns mit den Brachen des historischen Zentrums auseinanderzusetzen, nicht nur am Alexanderplatz und am Schloss, sondern auch am Friedrichswerder oder am Schinkelplatz.

Ist das Berliner Baugeschehen überreglementiert? Braucht es frischen Wind?

Ein großes Missverständnis ist, mittelmäßige Architektur sei auf Restriktionen zurückzuführen. Das Gegenteil ist der Fall. Frank Gehrys bestes Haus steht am Pariser Platz, wo er sich sehr engen Spielregeln unterwerfen musste. Es wäre absurd zu sagen, man könnte besser Schach spielen, wenn es die Regeln nicht gäbe.

Was ist nötig, um das architektonische Niveau Berlins noch zu steigern?

Wettbewerbe sind für das Wohl der Stadt und die Qualität ihrer Architektur von existenzieller Bedeutung. Hinzukommen muss aber eine öffentliche Debatte um das Aussehen, den Charakter und die Atmosphäre der Stadt, denn Fachleute, auch Architekten, neigen zur intellektuellen Nabelschau und vergessen dabei die physische Realität und ihre Wirkung auf den Zeitgenossen. Darüber hinaus kann man von dem, was in den vergangenen 50 Jahren in dieser Stadt gebaut wurde, viel lernen. Man muss nicht immer bei null anfangen. Die Stadthäuser am Friedrichswerder sind ein gutes Beispiel. Der erste Eindruck der Entwürfe war chaotisch! Dann gab es einen Aufschrei in der Presse, den Architekten wurde es peinlich, und siehe da, es hat sich zurechtgerüttelt. Architekturlabor heißt ja nicht nur, dass man verrückte Ideen in die Welt setzen darf, sondern, dass man sie auch auswerten und die Konsequenzen daraus ziehen muss.

Die Fragen stellte Bernhard Schulz

HANS KOLLHOFF, geboren 1946 in Thüringen, Architektur-Professor an der ETH Zürich, hat seit 1978 ein selbstständiges Büro in Berlin mit Dependancen in der Schweiz und in Rotterdam.

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