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Steine des Anstoßes: Der umzäunte Neubau und der aufgestockte Fichtebunker.

© Kai-Uwe Heinrich

Berlin Kreuzberg: Streit um Mitbestimmung im Musterkiez

Die Grünen regieren in Friedrichshain-Kreuzberg und sehen den Bezirk gern als Muster für Bürgerbeteiligung? Aber mancher Anwohner sieht das kritisch.

Auch in dem von den Grünen zum Musterbezirk für Bürgerbeteiligung und behutsame Stadtentwicklung erklärten Friedrichshain-Kreuzberg ärgert so mancher Neubau die Bewohner. Dabei hatte Antje Kapek, die Fraktionschefin der Grünen im Abgeordnetenhaus, das Kreuzberger Modell gerade im Tagesspiegel all jenen im Senat zur Nachahmung empfohlen, die nach dem erfolgreichen Volksentscheid zu Tempelhof eine Totalblockade von Bauprojekten befürchten. Doch im gelobten Bezirk sehen das nicht alle so, wie der Neubau des „Lofthouses“ neben dem ausgebauten „Fichtebunker“ zeigt.

Der Fichtebunker liefert den Sprengstoff

Der 21 Meter hohe Bunker, ursprünglich ein Gasometer, steht seit 120 Jahren in dem Quartier und wurde ab 1940 zum Bunker für 6000 Menschen umgebaut. Der danebengelegene Altbau fiel den Kriegsbomben zum Opfer, und die Lücke diente danach einem Gaslieferanten als Lager. Bis Mitte der 2000er Jahre der Architekt und Ingenieur Paul Ingenbleek die Baulücke erwarb und ein Haus mit zwölf Eigentumswohnungen errichtete – und damit bis heute dem Kiez Sprengstoff liefert.

Die Anwohner begehren auf

Jedenfalls schreibt Anwohner Dieter Siems, dass dieser „architektonische Fremdkörper“ in einer vorwiegend gründerzeitlich geprägten Häuserzeile „gegen den Protest der Anwohner“ genehmigt worden sei und dieser „von der festgesetzten Bauweise“ abweiche: mit 13 Metern Gebäudetiefe und zwei Geschossen mehr als in der Straße sonst üblich. Dies sei in der Bezirksverordnetenversammlung „von der grünen Mehrheit genehmigt“ worden, vorangetrieben vom grünen Bezirksbürgermeister und mit der Stimme der heutigen Grünen-Fraktionschefin – „Frau Kapek sollte darüber nachdenken“.

Früher diente der Fichtebunker auch als Ausstellungsort, etwa für Fotograf Frieder Salm.

© Thilo Rückeis

Bei den Plänen für den Umbau des Gasometers hatte sich die „Initiative Fichtebunker“ gegründet, um das zu verhindern. Und noch im Jahr 2008, als die Entscheidung trotzdem gefallen war, begehrte eine Kiezinitiative gegen den Baulärm und „reiche Nachbarn“ auf. Wer sich durch die Jahresabschlüsse der Firma „Speicherwerk Wohnbau“ kämpft, stößt auf alle Merkmale eines Bauträgerprojektes: Es beginnt mit hoher Verschuldung für den Erwerb des Baulandes und Bau des „Lofthouses“ 2007 – und endet mit „Überschüssen“ in Millionenhöhe zwei Jahre später nach Verkauf der Wohnungen.

Hat sich hier also jemand über den Bürgerwillen hinweggesetzt, um Kasse zu machen? Architekt Ingenbleek, in Berlin auch am Bau der „Labels“-Modehäuser im Gebiet Media-Spree beteiligt, bestreitet das: „Wenn man in Berlin baut, ist immer jemand dagegen.“ Seine Pläne in der Fichtestraße habe er drei Mal öffentlich zur Debatte gestellt: Zunächst im Fichtebunker, später im Nachbarschaftsheim Urbanstraße und in der Bezirksverordnetenversammlung.

Der Ex-Regierende Bürgermeister Momper kam auch

In den öffentlichen Debatten sei der damalige Bezirksbürgermeister Franz Schulz „wüst beschimpft worden“, aber nicht unbedingt wegen des Bauvorhabens. Auch der Ex-Regierende und Bauträger Walter Momper sei zugegen gewesen, er lebe in der Nachbarschaft und besitze Immobilien in der Fichtestraße. Höher und tiefer als das Nachbarhaus sei der Neubau nicht.

„Eine Bürgerbeteiligung hat damals stattgefunden, aber heute würden wir das anders machen“, sagt Antje Kapek. Zu der damals getroffenen Abwägung stehe sie trotzdem. „Das Haus entstand auf einem privaten Grundstück und wir hätten nur durch Aufstellung eines Bebauungsplans stärker eingreifen können.“ Dies aber hätte zur Folge gehabt, dass der durch alte Baupläne gesicherte Sportplatz in Gefahr geraten wäre. Zudem sei es ein Erfolg der Bürgerbeteiligung, dass ein Teil des Neubaus erst gar nicht genehmigt wurde. Der Bezirk habe das Projekt aber nicht verhindern können.

Fichte-Bunker
Auf dem Dach des Bunkers entstand eine Wohnung, hier eine Aufnahme der Bauarbeiten.

© Kitty Kleist-Heinrich

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