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Autos allenthalben. Hier erweitert sich die Leipziger Straße auf sechs Spuren. Muss nicht sein, findet die Planerin.

© Mike Wolff

Berlin: Stadtentwicklung: Wohnen im Penthouse auf der Leipziger Straße

Die Leipziger Straße ist so breit wie eine Autobahn. Eine Architektin schlägt deshalb jetzt vor: Baut sie zurück und schafft dort Platz für Wohnungen!

Hier ist wohl jeder Berliner schon mal vorbeigekommen – ach was, gerast: An der Leipziger, Ecke Charlottenstraße. Hier weitet sich die vierspurige innerstädtische Verkehrsader auf nahezu doppelte Breite, so dass der Leipziger nur ein paar blaue Schilder fehlen, um als Autobahnverlängerung durchzugehen. Ausgerechnet im historischen Zentrum lässt diese Schneise zwischen Charlottenstraße und Spittelmarkt jeden urbanen Maßstab vermissen. Und deshalb gibt es immer mal wieder Pläne, sie zurückzubauen auf ein menschlicheres Maß.

450 Wohnungen auf den Fahrbahnen

„450 Wohnungen könnten wir hier bauen und der Verkehr würde ungestört weiter fließen“, sagt Gudrun Wurlitzer. Bis ins Detail hat sie ihre Pläne für einen Umbau der Verkehrsachse ausgearbeitet, hat die neue Straßenführung aufgemalt, die vorgeschriebenen Abstände der sechsgeschossigen Neubauten zu den bestehenden Gebäuden am Straßenrand beachtet, sie hat Garagen angelegt und auf die „Berliner Mischung“ Rücksicht genommen: Ein Drittel der Wohnungen sollen zu günstigen Mieten angeboten werden. Und damit sich das rechnet, gibt es auch Penthäuser in den Dachgeschossen.

So könnte es aussehen: Die Häuserzeile mitten auf der Leipziger. Rechts die bestehenden Hochhäuser.
So könnte es aussehen: Die Häuserzeile mitten auf der Leipziger. Rechts die bestehenden Hochhäuser.

© Simulation: Wurlitzer Architekten

Berlin braucht dringend Wohnungen und nicht wirklich Straßen in diesem Maßstab auf teurem innerstädtischen Bauland. Deshalb ist sie verführerisch, diese Vision, weil sie den Verkehr trotzdem fließen lässt und sogar für die Straßenbahn bliebe Platz in diesem Entwurf. Zugleich aber verwandelt sie die breiten bisher kaum genutzten Gehwege in Grünzüge und verwandelt die Leipziger in einen grünen Boulevard. Und um der Häuserzeile, die in der Mitte der heutigen Straße gebaut würde, die Wucht zu nehmen, schlängelt sich der Block mit sanften Vor- und Rücksprüngen vom Spittelmarkt bis zur Charlottenstraße.

Autos könnten auf Seitenstraßen ausweichen

Ist damit aber nicht Stau programmiert? „Nein, gen Osten ist der Verkehr ohnehin schon gebündelt, auf vier Fahrbahnen bis zur Charlottenstraße, erst danach öffnet sich der Trichter“, sagt Wurlitzer. Und wer von Osten aus gen Westen fährt, wer also vom Alexanderplatz Richtung Potsdamer Platz rast, der werde auch heute schon entschleunigt, weil sich die Straße eh schon verjüngt im Bereich der Friedrichstadt. Außerdem gibt es Alternativen, falls die Straße tatsächlich mal verstopft ist. „Die Autofahrer können auf die Axel-Springer-Straße ausweichen“, sagt die Planerin. Die verläuft parallel zur Leipziger und ist durch viele Stichstraßen mit dieser verbunden.

Ähnliche Pläne am Molkenmarkt. Wer die Leipziger Straße durchfährt über Mühlendamm erreicht das Rote Rathaus (links angeschnitten). Davor, am Molkenmarkt, sollen Straße und Parkplätze verschwinden und Platz für Wohnungen schaffen.
Ähnliche Pläne am Molkenmarkt. Wer die Leipziger Straße durchfährt über Mühlendamm erreicht das Rote Rathaus (links angeschnitten). Davor, am Molkenmarkt, sollen Straße und Parkplätze verschwinden und Platz für Wohnungen schaffen.

© Simulation: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

Der stadtentwicklungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion Stefan Evers begrüßte den Vorschlag als „Impuls für die Diskussion über die zukünftige Entwicklung der Leipziger Straße“. Gerade der Abschnitt zwischen Friedrichstraße und Spittelmarkt führe zu Unrecht ein Schattendasein. Weil die Leipziger Straße aber eine der „wichtigen Ost-West-Achsen unserer Stadt“ ist, müsse genau darauf geachtet werden, wohin sich bei einer Verengung der Verkehr verlagern werde. Dass allein die Axel-Springer-Straße den ausweichenden Verkehr aufnehmen könne, stellt Evers aber in Zweifel.

Der Tunnel ist verdreckt - und bedrohlich

Jürgen Fabisch, der seit 1981 in der Leipziger Straße 60 lebt, wünscht sich eher kleinere Eingriffe, um der „Verwahrlosung“ seines Wohnortes entgegenzuwirken: „Die Grünrabatte sollten in Ordnung gebracht werden und auch die Bänke“. In den kleinen versiegelten Anlagen zwischen den Wohntürmen haben die Wurzeln des wild wuchernden Grüns den Beton durchbrochen. Es gibt viel Hundekot, und weil niemand die Gegend mehr ansteuert oder sich hier aufhalten mag, stehen auch viele Geschäfte leer. Und dann ist da noch der Fußgänger-Tunnel unter der Leipziger, in den sich nachts niemand mehr hineintraut aus Angst vor Überfällen. „Da sollten Läden rein und die öffentliche Toilette sollte wieder in Betrieb genommen werden“, findet Fabisch.

Gar nichts hält die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung von der Idee der Architektin, weil es eine „Verschlechterung für Öffentlichen Nahverkehr und Radverkehr darstellt und die Straßenbahnplanung nicht ausreichend berücksichtigt“. Deshalb sehe das „Planwerk Innere Stadt“ für die Leipziger Straße die Anlage eines zwölf Meter breiten Mittelstreifens für die Straßenbahn vor. Die bestehenden Fahrbahnen sollen dann von gegenwärtig 14,5 Meter auf jeweils achteinhalb Meter schrumpfen und zusätzlich Wege für Radfahrer und Fußgänger angelegt werden. Diese Pläne will die Stadtentwicklungsverwaltung im Frühjahr 2015 in den Senat einbringen, damit dieser sie beschließt. Der Umbau der Straße würde dann „frühesten 2017 beginnen.

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