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Berlin: Berlin zahlt zu spät – und bringt Firmen an den Rand der Pleite

Von Fatina Keilani Die schlechte Zahlungsmoral der öffentlichen Hand zwingt Berliner Firmen in die Knie. Seit die Stadt ihren Sparkurs noch verschärft hat, scheinen sich die Fälle zu häufen, in denen Senat, Bezirksämter und städtische Eigenbetriebe ihre Gläubiger unmäßig lange auf ihr Geld warten lassen oder die Zahlung monatelang hinauszögern – bis den Firmen die Puste ausgeht.

Von Fatina Keilani

Die schlechte Zahlungsmoral der öffentlichen Hand zwingt Berliner Firmen in die Knie. Seit die Stadt ihren Sparkurs noch verschärft hat, scheinen sich die Fälle zu häufen, in denen Senat, Bezirksämter und städtische Eigenbetriebe ihre Gläubiger unmäßig lange auf ihr Geld warten lassen oder die Zahlung monatelang hinauszögern – bis den Firmen die Puste ausgeht. Welchen Schaden diese Praxis im Haushalt anrichtet, etwa durch Steuerausfälle oder Kosten für Arbeitslose, hat noch niemand ausgerechnet.

„Allein die BVG schuldet mir rund 350 000 Euro“, klagt der Berliner Fliesenlegermeister Olaf L., der für seinen Betrieb nach 21 Jahren jetzt Insolvenz anmelden musste. „Ich hatte zu Beginn dieses Jahres Aufträge im Wert von 750 000 Euro vorliegen, konnte sie aber nicht ausführen, weil ich nicht genug Geld hatte, um das erforderliche Material zu beschaffen und die Löhne meiner Angestellten zu bezahlen“, sagt L. „Wenn die BVG ihre Schulden bei mir bezahlt hätte, wäre das nicht passiert.“ Alle seine Arbeiten seien mängelfrei abgenommen worden. Jetzt sind zehn Mitarbeiter arbeitslos. Mit seiner Frau zusammen hat der 50-jährige Spandauer eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet und schwingt jetzt wieder selbst die Kelle. Die BVG hat er auf Zahlung verklagt, die Verfahren laufen noch.

„Das ist kein Einzelfall“, bestätigt Gerd Woweries, Leiter der Bereiche Unternehmensrecht und Handelsregister bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Berlin. „Von diesen Fällen sind uns einige bekannt. Wir haben aber keine verlässlichen Zahlen.“ Die IHK hat eine so genannte Task Force ins Leben gerufen, die Unternehmen hilft, wenn sie Probleme mit Behörden haben. Aus seiner Arbeit bei dieser Task Force erinnert sich Woweries an einen anderen Fall: „Ein Unternehmer hatte Arbeiten in einer Schule ausgeführt. Er hatte seine Leistungen auftragsgemäß erbracht, es gab eine ordnungsgemäße Rechnungslegung, trotzdem zahlte das Bezirksamt nicht und verwies mit fadenscheinigen Gründen darauf, dass die Prüfbarkeit nicht gegeben sei.“ Die IHK habe sich die Rechnungen angeschaut und sei genau wie ein Sachverständiger zum Ergebnis gekommen, dass die Rechnung einwandfrei war.

Diesen Trick wenden staatliche Stellen offenbar häufiger an. Die meisten Unternehmer, die für öffentliche Auftraggeber gearbeitet haben, haben Abrechnungen schon einmal als nicht prüffähig zurück bekommen. Oder steckt hinter der Verschleppungstaktik noch mehr? „Wir haben Hinweise darauf, dass die Bezirke Aufträge vergeben, für die sie das Geld gar nicht haben“, sagt ein Insider. „Kein Wunder, dass sie alles tun, um nicht zahlen zu müssen oder um den Zahlungszeitpunkt weitestmöglich hinauszuschieben.“ Viele Unternehmer trauen sich nicht, laut Kritik zu üben, um sich die Chancen auf weitere Aufträge nicht zu verderben. Hinzu kommt, dass die öffentliche Hand auch noch fünf Prozent der Summe zurückhält – für eventuelle Mängel.

Das Problem mangelnder Zahlungsmoral ist nicht nur in Berlin bekannt. Der Bundesgesetzgeber hat deswegen schon Gesetze geändert. So fallen jetzt automatisch 30 Tage nach Eingang der Rechnung Verzugszinsen an – früher musste dafür extra gemahnt werden. „Oft genug hält sich die öffentliche Hand an diese gesetzliche Regelung allerdings selbst nicht“, sagt Woweries.

Die Sprecherin von Bausenator Peter Strieder (SPD), Petra Reetz, sagt, es sei trotz mehrerer Versuche und Nachfragen bei der IHK nicht gelungen, auch nur einen einzigen Insolvenzfall nachzuweisen, der durch Nichtzahlung einer staatlichen Stelle ausgelöst wurde. Das allerdings kann sich IHK-Mann Woweries nicht vorstellen: „Es gibt mindestens einen Fall, den die Bauverwaltung kennen müsste.“

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