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Roberto Benigni auf der Pressekonferenz von "Pinocchio".

© AFP

Berlinale-Kolumne „Im Film“: Vielleicht ist unser Humor zu trocken geworden

Am Potsdamer Platz stinkt's. Woran das wohl liegt? Es gibt da mehrere Erklärungen. Die Berlinale-Kolumne für den vierten Tag.

Okay, machen wir uns nichts vor. Diese Wahrheit ist allen Berlinerinnen und Berlinern bekannt, aber jeder atmet sie still in sich hinein. Jetzt raus damit: Am Potsdamer Platz stinkt’s.

An der Bushaltestelle vor der Kinemathek, in der die Nazi-Vergangenheit des ersten Berlinale-Direktors Alfred Bauer verbuddelt worden ist, wabern faule Gerüche aus dem Boden. Schwefelwasserstoff – riecht wie olle Eier.

Der Film-Wettbewerb ist bisher Güteklasse B. Das Festival tröpfelt mit meist ernsten, aber oft zu gefälligen Filmen vor sich hin wie ein Berliner Nieselschauer.

Einziger Aufreger ist bisher der neue Film des chinesischen Dauerprotestlers Ai Weiwei, der nicht gezeigt wird. Hongkongs Demokratieaktivist Joshua Wong vermutet chinesische Einflussnahme und ruft zum Boykott des Festivals auf. Die Berlinale dagegen verweist darauf, Ai Weiwei habe sich für die Premiere seiner neuen Dokumentation lieber ein anderes Festival ausgesucht.

Ai Weiwei, der lange in Berlin gelebt hat und nach London geflüchtet ist, findet: „Deutschland ist intolerant, bigott und autoritär.“ Was ihm genau in Berlin stank, hat er nicht erklärt.

Nah am Wasser gebaut

Dabei gibt es schöne Ecken: Hinterm Potsdamer Platz ruht ein See mit Schilfecke. Hier wird das Wasser der Nieselschauer gereinigt, ganz natürlich.

Schlimmer als Schwefelwasserstoff ist Schwefelsäure: H2SO4 – das Zeug zerfrisst Wasserleitungen und macht den Beton sauer. Das ärgert die Wasserbetriebe; sie haben eine „Task Force Geruch und Korrosion“ gebildet. Klingt voll rostig.

Am westlichen Potsdamer Platz hat die Task Force jetzt Geruchsverschlüsse montiert. „Das sind Plastiklamellen auf Gullys, die sich bei Trockenheit schließen“, sagt Stephan Natz von den Wasserbetrieben. Falls der Gestank dann nicht verduftet, werden Filter eingebaut oder Kanal-Deos. Die riechen nach Süden: Zitrus-Orange.

Ziemlicher Holzkopf

Früher war Berlin nah am Wasser gebaut. Heute gibt es zu wenig Regen, darum fließt das Abwasser zu langsam und wird zu H2SO4. Vielleicht ist auch unser Humor zu trocken geworden.

Im Berlinale-Palast hab ich „Pinocchio“ gesehen, das Märchen von der Lügenbold-Puppe, die allen eine lange Nase dreht. Pinocchio ist ein ziemlicher Holzkopf, andauernd gerät er in Schwierigkeiten.

Wir treffen uns

Aber auf seiner Reise um die Welt rennt er über weite Wiesen und durch verträumte Wälder, entdeckt verlassene Schlösser und verzauberte Burgen. Pinocchio schwimmt durch klare Meere. Am Ende retten ihn Fische.

Einfach öfter mal rausschwimmen. Das täte uns allen gut. Wir treffen uns am Schilf.

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