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Berlin: Berliner Fraktion will Schwächen im Osten und bei jungen Menschen abbauen

Die Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen setzte sich gestern Abend mit einem Vorstandspapier auseinander, in dem der "massive Vertrauensverlust" bei den Wählern und das "besserwisserische Gehabe" der Bundespartei beklagt wird. Dem stünden "Unsicherheit und massiver Protest von unten" gegenüber.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen setzte sich gestern Abend mit einem Vorstandspapier auseinander, in dem der "massive Vertrauensverlust" bei den Wählern und das "besserwisserische Gehabe" der Bundespartei beklagt wird. Dem stünden "Unsicherheit und massiver Protest von unten" gegenüber. Die Berliner Grünen wollen sich in den nächsten zwei Jahren als "Metropolen-Partei" profilieren, ihre Stellung im Ostteil der Stadt verbessern und die Partei für junge Menschen und Quereinsteiger attraktiver machen.

Viele Probleme seien hausgemacht, meint der Vorstand. Zu oft seien Vorschläge auf die politische Bühne geworfen worden, die am Lebensgefühl - nicht nur junger Menschen - vorbei gingen, nicht zeitgemäß und nicht vermittelbar seien. Als Beispiele werden in dem Arbeitspapier die Forderung nach einem Benzinpreis von fünf Mark und die Einschränkung von Urlaubsflügen (nur noch alle fünf Jahre) genannt. Solche Vorschläge hätten viel Vertrauen gekostet. "Nicht grüne Heilslehren, sondern Vermittlung zwischen Interessen ist eine zentrale Aufgabe unserer Politik", sagte Vorstandssprecherin Regina Michalik auf dem Parteikongress.

In Ostdeutschland, auch im Osten Berlins, werde "das grüne Projekt" überhaupt nicht angenommen. "Dies untergräbt unseren Anspruch, Verantwortung für die ganze Stadt zu übernehmen", wird selbstkritisch eingeschätzt. Die Parteigruppierungen in den Ostbezirken benötigten nicht nur Ideen, sondern vor allem finanzielle und personelle Unterstützung. "Dies ist eine Aufgabe der Gesamtpartei." Trotz dieses Anspruchs tun sich auch die relativ mitglieder- und finanzstarken West-Bezirksverbände - zum Beispiel Schöneberg und Kreuzberg - schwer, die Forderung nach einem "Soli-Topf" für notleidende Ost-Verbände - zum Beispiel Hellersdorf und Marzahn - zu akzeptieren. Zumal die finanzielle Gesamtlage des Grünen-Landesverbandes nach dem schwachen Abschneiden bei der Abgeordnetenhauswahl im Oktober 1999 nicht rosig ist.

Bis 2004 fehlen der Berliner Partei 300 000 Mark pro Jahr. In der gesamten Wahlperiode muss also ein Gesamtdefizit von 1,5 Millionen Mark verkraftet werden. Geplant ist, den hauptamtlichen Landesvorstand zu verschlanken. Eine von vier Stellen soll wegfallen. Diese Sparmaßnahme greift allerdings erst ab April 2001, wenn der Vorstand neu gewählt wird. Ursache der Finanzmisere sind eine geringere Wahlkampfkostenerstattung und deutlich weniger Abgeordneten-Spenden an die Partei, denn die Grünen-Fraktion im Berliner Landesparlament schrumpfte nach der Wahl von 30 auf 18 Mitglieder. Ein Spezialproblem, das im Zuge der Parteispendenaffäre bundesweit öffentlich erörtert wurde, wird auf der Landesdelegiertenkonferenz der Grünen nicht diskutiert: Die Frage, ob Abgeordneten-Spenden an die Partei von den Diäten gezahlt werden dürfen, oder ob sie aus der steuerfreien Aufwandsentschädigung abgezweigt werden muss, wurde vertagt. Die Berliner Grünen wollen abwarten, bis die Bundespartei mit dem Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse eine rechtlich einwandfreie Regelung ausgehandelt hat.

Eine gute Nachricht konnte der Landesvorstand der Berliner Grünen gestern verkünden: Die Mitgliederzahl habe sich seit der Bundestagswahl 1998 um 20 Prozent erhöht. Wöchentlich kämen 8 bis 12 neue Mitglieder hinzu.

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