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Am Mittwoch startete der „Aktionskreis Berlin Pro Nordisches Modell“ eine Initiative, mit der Forderung nach einer Reform, die Freier bestraft. Der Bundesverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen und die Beratungsstelle Hydra setzen hingegen auf Entstigmatisierung und mehr Rechte für Sexarbeitende. (Symbolbild)

© Andreas Arnold/dpa

Internationaler Hurentag: Berliner Initiative fordert Bestrafung von Freiern

Aktivistinnen machen am sogenannten Hurentag auf die Lage von Sexarbeitenden aufmerksam. Mit gegensätzlichen Forderungen: Kaufverbot oder Entstigmatisierung.

Eine neue Initiative von Berliner Frauen kämpft für bessere Ausstiegsmöglichkeiten für Prostituierte und eine Bestrafung von Freiern. „Prostituierte werden in der Öffentlichkeit oft als selbstbestimmt und die Freier als normale Kunden dargestellt. Doch die Realität sieht meist anders aus, viele Frauen sind in einer Zwangslage und schaffen aus Armut an“, sagt Annemarie Schoß, Mitgründerin des „Aktionskreises Berlin Pro Nordisches Modell“.

Schoß, Leiterin der Berliner Städtegruppe von Terre des Femmes, und ihre Mitstreiterinnen fordern die Einführung des so genannten Nordischen Modells nach dem Vorbild der schwedischen Gesetzgebung von 1999. Das Modell entkriminalisiert Prostituierte, bestraft Freier und bietet Ausstiegsmöglichkeiten für Prostituierte. Wenn man die Nachfrage bekämpfe, könne man auch die Prostitution eindämmen, so Schoß. Auch auf Bundesebene setzen sich Frauen dafür ein.

Die Berliner Beratungsstelle für Prostituierte, Hydra, gehört diesem Bündnis nicht an. Hydra setze sich für die Rechte von Sexarbeitenden ein und dazu gehöre, Sexarbeit zu entstigmatisieren, sagte Ruby Rebelde aus dem Vorstand des Vereins Hydra am Mittwoch im Inforadio des RBB. Der Aktionskreis, der das Nordische Modell befürworte, wolle „das Symptom Sexarbeit korrigieren“ und trage nicht dazu bei, dass die Rechte von Sexarbeitenden gestärkt würden. Hydra initiierte eine Kampagne zur Entstigmatisierung von Sexarbeit, bei der online Beiträge von Sexarbeitenden veröffentlicht werden. Am Mittwochnachmittag führten Hydra und der Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen gemeinsam eine Kundgebung auf dem Washingtonplatz vor dem Berliner Hauptbahnhof durch.

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Es fehle an Beratungsangeboten für Aussteigerinnen

Das Nordische Modell wird laut dem Bündnis bereits in Norwegen, Island, Kanada, Frankreich, Irland, und Israel umgesetzt. In Deutschland gilt Prostitution seit 2002 als Beruf, seit 2017 existiert ein Prostitutionsschutzgesetz. Aus Sicht des Aktionsbündnisses ist die Prostitutionsgesetzgebung Deutschlands gescheitert. Sie sei nicht in der Lage, den Menschenhandel zu verringern oder der Zwangsprostitution einen Riegel vorzuschieben. Stattdessen werde eine Politik der Liberalisierung verfolgt, die die Lebensbedingungen von Prostituierten nicht verbessere.

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Die Corona-Pandemie mit den mangelnden legalen Arbeitsmöglichkeiten sei eine gute Gelegenheit auszusteigen. Doch es fehle an flächendeckenden Beratungsangeboten. Da die Prostitution legal sei, fühle sich der Staat auch nicht verantwortlich, solche Angebote zu unterstützen, kritisiert Schoß.

Einzelne Vereine wie etwa Sisters oder das Café Neustart an der Kurfürstenstraße bieten ehrenamtlich Hilfe an. „Die Frauen sind oft verschuldet, haben keine Wohnung oder Krankenversicherung“, berichtet Aussteigerin Mimi vom Verein Sisters. Der Verein unterstütze Aussteigewillige auch mit einem Übergangsgeld. „So können die Frauen erst einmal zur Ruhe kommen“, erläutert sie.

Corona-Zwangspause treibe Sexarbeitende in Illegalität

„Wie viele Prostituierte in Berlin arbeiten, weiß niemand“, so Annemarie Schoß. Laut Café Neustart wird ihre Zahl auf 6000 bis 8000 geschätzt. Demnach dominieren Frauen aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn.

Seit Mitte 2017 sind Ausweise für Prostituierte Pflicht - samt Gesundheitsberatung und Rechtsbelehrung. Nur wer einen solchen Ausweis besitzt, darf in einem genehmigten Bordell arbeiten. „Aktuell verfügen 993 Personen über eine gültige Anmeldebescheinigung aus Berlin“, teilt eine Mitarbeiterin des zuständigen Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg mit. Schoß geht davon aus, dass dies nur ein geringer Teil der Prostituierten ist.

Die Corona-Zwangspause habe viele Kolleginnen und Kollegen in Existenznöte und teilweise auch in die Illegalität getrieben. „Viele Sexarbeiterinnen sind durch alle Raster gefallen, zum Beispiel weil sie keinen festen Wohnsitz haben“, sagt Johanna Weber vom Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen. Andere haben Corona-Hilfen oder Arbeitslosengeld bekommen. In Berlin dürfen ab dem 18. Juni wieder sexuelle Dienstleistungen ohne Geschlechtsverkehr angeboten werden. (dpa)

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