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Berlin: Berliner Nachrufe: Fritz Härting, Geb. 1910

Er hatte das, was man einen leichten Tod nennt. Fritz, wie ihn seine Freunde nannten, starb völlig unerwartet den Sekundentod an seinem Urlaubsort an der Ostsee.

Er hatte das, was man einen leichten Tod nennt. Fritz, wie ihn seine Freunde nannten, starb völlig unerwartet den Sekundentod an seinem Urlaubsort an der Ostsee. Er genoss seine letzten Tage in Kühlungsborn, voller Energie. Ohne jegliche Vorzeichen, ohne jede Ahnung von seinem Ende ging er von dieser Welt. Ein leichter Tod: Im Grunde passte das so gar nicht zu seinem schweren, kämpferischen Leben.

Als Kind verstoßen

1910 im Stadtteil Schöneberg geboren, erlebte er frühzeitig Not und Elend jener Jahre. Er war gerade 19 Jahre alt, als der so genannte schwarze Freitag in die Geschichte einging als der Höhepunkt von der Weltwirtschaftskrise und Inflation. Seine spätere Beschäftigung mit sozialen Themen hatte mit diesen schwierigen Jahren zu tun, das hat er immer betont.

Fritz Härting war einer, der nie vergessen hat, woher er kommt. Vielleicht auch deshalb, weil man im Leben wohl kaum eine Chance hat, eine Herkunft wie die seine zu verdrängen.

Er war ein uneheliches Kind, das von seinen Eltern verstoßen wurde. Er kam ins "Große-Friedrich-Waisenhaus" in Berlin-Rummelsburg. Im Jahr 1921 war dieses Waisenhaus derart überfüllt, dass einzelne Kinder, darunter Fritz Härting, in das "Adolf-Kessel-Heim" in Schweidnitz ausgelagert wurden. Dort absolvierte er eine Klempnerlehre, die er aber aus gesundheitlichen Gründen abbrechen musste. So wurde er Landarbeiter auf einem Gut in Schlesien, bis er wieder zurück ins Rummelsburger Waisenhaus kam, das er schließlich im Jahr 1928 verließ.

Zur Sozialdemokratie gefunden

Ein neues Zuhause fand er in der Familie Seigewasser, die ihn sozusagen als Pflegesohn aufnahm. Vater Seigewasser brachte ihn zu den Sozialdemokraten. Die Freundschaft zum Sohn, Hans Seigewasser, führte ihn dann wenige Jahre später zur Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP). Den Weg zur KPD, den der Weggefährte Hans Seigewasser später ging, machte Fritz Härting nicht mit.

Aber Seigewassers Tätigkeit in der KPD und der "Roten Hilfe" hatte zur Folge, dass auch er öfters in bedrohliche Situationen geriet. Die Festnahme Hans Seigewassers im Jahr 1935 erlebte er unmittelbar. Weil er an diesem Tag mit ihm verabredet war, sah er, wie dunkle Limousinen vor einem Hauseingang hielten und Leute in schwarzen Mänteln seinen Freund fortführten. Hans Seigewasser kam ins KZ und wurde 1945 befreit. Fritz Härting wurde nach der Festnahme von der Gestapo verhört, aber nicht verhaftet.

1935: Das war nicht nur das Jahr der Gestapo. 1935 war auch das Jahr, in dem Fritz Härting erblindete, die Folge einer Netzhautablösung. Fortan lebte er in einer dunklen Welt. Alle, die ihn kannten, schwärmen davon, wie er mit diesem schweren Schicksal umgegangen ist. Als der einzige Nichtsehende in seiner Klasse bestand er das Abitur und begann noch während der Kriegszeit Rechtswissenschaften zu studieren. Härting heiratete, doch das junge Glück sollte nicht von Dauer sein, denn das Leben hielt für ihn wenig später eine nächste Katastrophe bereit. Seine Frau wurde Ende Mai 1945 von russischen Soldaten erschossen.

Nach dem Krieg wohnte er einige Zeit im osthavelländischen Rohrbeck, wo er zwischenzeitlich auch Mitglied der SED wurde. Doch als er nach Berlin zurückkehrte, wurde die SPD wieder seine politische Heimat. Der Jurist setzte sich in verschiedenen Funktionen für das Genossenschaftswesen ein, auch als Arbeits- und Sozialrechtler in der Senatsverwaltung.

Der Blindheit getrotzt

Der blinde Fritz Härting heiratete wieder und baute sich in den sechziger Jahren mit Frau und Kindern und zahlreichen Freunden in Frohnau ein Haus. Eigenhändig, wie er immer betonte, "jeder Stein erzählt uns eine Geschichte". Seine Freunde in der SPD erzählen, dass sie ihn immer bewundert haben: seine Härte, sein soziales Gewissen und sein großartiges Gedächtnis in jüngeren Jahren. "Wenn jemand eine Frage zur deutschen Geschichte hatte, brauchten wir nur den Fritz fragen", erzählt einer.

Mit den Jahren, berichten seine Freunde, sei er zuweilen auch ein bisschen sturköpfig geworden. Er sei gelegentlich sehr wütend gewesen, wenn er über den aktuellen Zustand seiner Partei, seiner SPD, diskutierte. Er bezeichnete es als empörend, wie die SPD seiner Meinung nach dem neoliberalen Zeitgeist hinterläuft. Ja, und wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag ging sein Zorn so weit, dass er nach Jahrzehnten sogar aus der SPD austrat.

Dies änderte aber nichts daran, dass die Genossen beinahe vollzählig erschienen waren, als Fritz Härting am 22. September zu dem Lied "An der schönen blauen Donau" beerdigt wurde. Die Musik war mit Bedacht gewählt. Fritz Härting hatte sich immer gewünscht, dass bei seinem Begräbnis "etwas Heiteres" gespielt werde.

ph

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