Berlin: Berliner Nahaufnahme
Wir lassen Menschen der Stadt sprechen
Der Ghettoblaster steht in der Feierhalle, heraus dröhnen die Rolling Stones, „I can’t get no satisfaction!“ 100 Menschen singen mit. Die Trauerfeier für einen Malermeister, der mit 44 Jahren gestorben ist. Der Bestatter, der das organisiert hat, heißt Bernd Tonat. Seit 20 Jahren ist er im Geschäft. Studiert hat er Theologie und Psychologie, und er war lange Sozialarbeiter – beste Voraussetzungen für seinen jetzigen Beruf. Es geht ihm ja nicht darum, die Toten so billig und so schnell wie möglich unter die Erde zu bringen. Tonat bemüht sich um Trauerfeiern, die sich nicht zuerst an der Friedhofsordnung orientieren, sondern an denen, die gestorben sind, und jenen, die Abschied nehmen. Wenn da ein Rock ’n’ Roller zu Grabe getragen wird, dann muss die Musik eben lauter sein. Der Bestatter erinnert sich an eine Frau, der er eine Dreifachfeier organisiert hat: Musik der Ton- Steine-Scherben-Nachfolge- Band, katholische Aussegnung, jüdisches Kaddisch. Ein buddhistischer Mönch war auch dabei. Die Dame hatte ein bewegtes Leben hinter sich, da wollte Tonat diese letzte Station auf keinen Fall bescheidener gestalten. Bernd Tonat, ein gepflegter Mann von 65 Jahren, den heftiger Parfümduft umweht, spricht gern über sein Verhältnis zum Tod und zum Vergehen. Er spricht von Leichen, die verwesen, und von solchen, die hergerichtet werden, bis sie besser aussehen als zu Lebzeiten. Alles Alltag, ganz normale Dinge. David Ensikat
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