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Berlin: Berliner Philharmoniker: Eine Zierde für das ganze Orchester

"Hier ist cello Nr. 7", pflegte er sich am Telefon zu melden, und mitunter waren wir Journalisten schon ein bisschen genervt von den zahllosen Attacken der philharmonischen Werbetrommel.

"Hier ist cello Nr. 7", pflegte er sich am Telefon zu melden, und mitunter waren wir Journalisten schon ein bisschen genervt von den zahllosen Attacken der philharmonischen Werbetrommel. Hartnäckigkeit und ein Berge versetzender Optimismus haben ihm bei seinem "Lebenswerk" Recht gegeben: Am 2. Juli feiert Rudolf Weinsheimer seinen 70. Geburtstag, "Erfinder", Manager, Ideenträger und Gründungsmitglied der "12 Cellisten der Berliner Philharmoniker".

Man muss schon Köpfchen haben, um ein Cello-Quartett, das auf einer Tournee des Orchesters 1966 in Japan debütierte, im Lauf der Jahre zu den "glorreichen Zwölf" zu potenzieren. "Cellissimo grandioso" versammelte 1992 auf Initiative Weinsheimers nahezu 400 Spieler des Violoncellos zu einem Summit unter der Sonne vor dem Neuen Palais in Sanssouci. Cellisten aller Generationen, zwischen 9 und 93 Jahren, kamen und siegten für die guten Zwecke der Stiftung Schlösser und Gärten.

Um den Opfern des Erdbebens in Kobe zu helfen, plante Weinsheimer 1998 in der japanischen Hafenstadt das "größte Cellokonzert der Welt", dem über 1000 Cellisten aus aller Herren Länder entgegen übten und fieberten. Japan ist für Weinsheimer wie für viele andere Philharmoniker seit der Karajan-Ära ein geliebtes Land. Kontakte und Freundschaften gedeihen. Weinsheimer ist Ehrenpräsident des Symphony Orchestra der Waseda Universität, und das Cellistenensemble war mehrfach beim Kaiserpaar eingeladen. Ob in Tokio oder im New Yorker Central Park - weltweit hat sich Weinsheimer, begeisterter Dauerläufer, seine Pfade für das tägliche Jogging ausgesucht.

Wolfgang Stresemann, der damalige Philharmoniker-Intendant, schildert in einem liebevollen Büchlein über "Die Zwölf" das "Entsetzen", das ihn voreilig ergriff, als der rührige Cellist ihm sein Anliegen erstmals vortrug: "Weinsheimer strahlt wie immer, und mit seinen treuherzigen blauen Augen überreicht er mir ein eintägiges Urlaubsgesuch für sämtliche 12 Cellisten, die dem Orchester angehören." Die ganze Gruppe mache sich selbstständig, habe Weinsheimer gesagt, aber nur an den freien Tagen des Orchesters, ohne Risiko für dessen Arbeit. Dann hieß es, die eingeplanten freien Tage, vor allem auf Reisen, in Erfahrung zu bringen, denn ein Symphoniekonzert ohne Cellisten ist ein Unding. "Weinsheimer erhielt alle gewünschten Auskünfte und machte sich an die Arbeit", so Stresemann.

Der Siegeszug der Zwölf als eine "Zierde für das ganze Orchester" beginnt. Während der Salzburger Osterfestspiele 1972 geben sie im Mozarteum ihr erstes abendfüllendes Konzert. Typisch Weinsheimer: Im Frühjahr 1972 nimmt der Zehlendorfer, geboren in Bielefeld, seit 1956 bei den Philharmonikern, eine schöne 15-jährige Anhalterin in seinem Mercedes mit. Sie entpuppt sich als Tatjana, Tochter des Komponisten Boris Blacher. Versteht sich, dass Weinsheimer eine Blacher-Komposition für 12 Cellisten erbittet. Inzwischen sind die Musiker Widmungsträger zahlreicher Originalwerke - von Blacher, Noam Sheriff, Yannis Xenakis, Udo Zimmermann -, während ihr "klassisches" Repertoire von Beatles-Songs bis zur "Kunst der Fuge" reicht.

Der biologisch bedingte "Saitenwechsel" kann nicht ausbleiben: Die Zwölf repräsentieren pars pro toto, wie das Philharmonische Orchester sich verjüngt. Nur ein Gründungsmitglied - Götz Teutsch - sitzt noch in dem heute von Georg Faust und Ludwig Quandt angeführten Ensemble. Die Schöpfung der Zwölf aber gehört Rudolf Weinsheimer.

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