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Berliner Wahlkampf: Zauderer kontra Machtmensch

Mit Friedbert Pflüger und Klaus Wowereit stehen sich zwei höchst ungleiche Duellanten im Berliner Wahlkampf gegenüber.

Berlin - Friedbert Pflüger hat einen schweren Stand. Trotz Kärrnerarbeit muss der CDU-Spitzenkandidat für die Berliner Abgeordnetenhauswahl wohl seinen großen Traum begraben, den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) vom Thron zu stürzen. Sollten die Demoskopen Recht behalten, scheint der Amtsinhaber am 17. September zwar keinem bravourösen, aber einem sicheren Sieg entgegen zu gehen. Und einiges deutet darauf hin, dass er sich seinen künftigen Koalitionspartner auch noch aussuchen kann.

Für die Maläse der in letzten Umfragen bei knapp über 20 Prozent liegenden Hauptstadt-CDU macht Pflüger vor allem den Gegenwind aus der Bundespartei verantwortlich, doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die späte Nominierung zum Spitzenkandidaten im Januar dieses Jahres war schon eine ungünstige Ausgangsposition, zumal der 51-jährige Niedersachse das Wowereit so vertraute Berliner Pflaster erst kennen lernen musste. Hinzu kamen Fehler und Ungeschicklichkeiten. Kritiker aus den eigenen Reihen werfen Pflüger vor, Konflikte gescheut und nicht gleich den Anspruch auf den Parteivorsitz erhoben zu haben, um im Machtpoker für klare Fronten zu sorgen. Zu spät hat der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium und Bundestagsabgeordnete auch erkannt, dass er sich ganz auf Berlin einlassen muss, um beim Rennen um den Chefsessel eine Chance zu haben. Erst Mitte August entschloss er sich, im Fall einer Niederlage aus der Bundespolitik auszusteigen und im Landesparlament Oppositionsführer zu werden. Schon kurz danach relativierte er - in Wahlkampf-Zeiten höchst unklug - die Entscheidung mit einem leidenschaftlichen öffentlichen Bekenntnis zu seiner Heimatstadt Hannover.

Wowereit sät Zweifel

Solche Vorlagen waren für Wowereit ein Geschenk des Himmels. Statt sich inhaltlich mit seinem Herausforderer auseinander zu setzen, beschränkte er sich weitgehend darauf, Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit zu säen. Auch Pflügers etwas linkischer Auftritt im ersten gemeinsamen öffentlichen Rede-Duell, wo er seinem Kontrahenten all zu oft Recht gab, blieb nicht ungestraft. Die SPD nutzte Zusammenschnitte für einen Werbespot - in eigener Sache.

Pflügers Hauptproblem scheint jedoch in dessen Naturell zu liegen. Die rhetorisch brillante Rede und das knallharte Polarisieren sind seine Sache nicht. Statt dem politischen Gegner auch mal eine Breitseite zu verpassen, setzt er auf die Kraft des sachlichen Arguments. Auch das "Sunnyboy"-Gemüt von Wowereit, der den Wähler im Smalltalk mit Charme und Witz zu umgarnen versucht, geht dem eher ernst und nachdenklich wirkenden CDU-Politiker ab.

Kitaplätze als Wahlkampf-Bonbon

Der Urberliner Wowereit, der die Stadt und deren Probleme wie seine Westentasche kennt, spielt den Heimvorteil voll aus. Punkten will er vor allem mit der "erfolgreichen" Arbeit der rot-roten Koalition, die einen Mentalitätswechsel eingeleitet habe. Als Wahlkampf-Bonbon stellte er ungeachtet des Spardiktats in den Vorjahren den generell kostenlosen Kita-Besuch in Aussicht, obwohl die mit fast 60 Milliarden Euro verschuldete Stadt in Karlsruhe auf Sanierungshilfen des Bundes und der anderen Länder klagt. Das brachte ihm selbst vom Koalitionspartner Linkspartei.PDS den Vorwurf des Populismus ein.

Solche Attacken lassen den Machtmenschen Wowereit jedoch kalt, der auf einer Sympathiewelle schwimmt. Die Liste von Berlins beliebtesten Politikern führt der bekennende Homosexuelle seit langem ungefährdet an. Zudem buhlen ausnahmslos alle Parteien um seine Gunst: Die Linke, die Grünen, die FDP und selbst Pflüger hat sich schon als Juniorpartner angeboten. Eine große Koalition schließt Wowereit aber kategorisch aus.

Inzwischen hat der 52-Jährige, der Muße durchaus schätzt, sogar Gefallen an der Rolle des Landesvaters gefunden. Auch wenn er das Rampenlicht noch immer liebt, scheint die Zeit vorbei, als er mit seinen Kapriolen eher die Klatschspalten der Boulevardpresse denn die Politik-Seiten füllte. Der Imagewandel hat nicht nur Wowereits anfängliche Kritiker in den eigenen Reihen verstummen lassen, er empfiehlt sich damit offenbar auch für höhere Aufgaben. Für den Posten des Vize-Chefs der Bundes-SPD hat er sich schon mal selbst ins Gespräch gebracht. (Christina Schultze, ddp)

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