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A-, B- oder C-, Hauptsache -prominent. Larry Hagman (M.) ist dem einen oder anderen noch bekannt aus der US-Serie "Dallas". Für SPD-Chef Gabriel (l.) und Berlins Regierenden Bürgermeister Wowereit packte er am Potsdamer Platz sein fiesestes Lächeln aus.

© dapd

Berliner Wahlkampfabschluss: Reden ist Gold, Schweigen undenkbar

Für das Finale des Wahlkampfs bieten die Parteien noch einmal viel Prominenz auf – Spitzenpolitiker ebenso wie Schauspieler. Denn die Aufmerksamkeit zählt.

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Auf der Zielgeraden vor dem Wahltermin kämpfen alle Parteien um ein gutes Wahlergebnis. Für die FDP geht es um den erneuten Einzug ins Parlament, den die Piraten laut Umfrageergebnissen erstmals schaffen würden. Und wer wird der SPD als vermutlich stärkste Kraft in Berlin folgen? Die CDU oder die Grünen? Und was ist mit der Linken? Alle Parteien versuchen, in den letzten 48 Stunden noch Sympathiepunkte zu sammeln – vor allem bei den noch unentschlossenen Wählern. Sie gilt es am Sonntag in die Wahllokale zu bewegen. Dazu dienen auch die Abschlussveranstaltungen, die SPD, CDU, Grüne und Linke am Freitagabend veranstaltet haben. Die FDP hatte den Abschluss bereits am Donnerstagabend gefeiert.

SPD

Mit Larry Hagman zum Wahlsieg? Als Überraschungsgast der SPD-Abschlusskundgebung auf dem Potsdamer Platz präsentierte Klaus Wowereit den amerikanischen TV-Altstar (alias J.R. Ewing) aus der Kultserie „Dallas“. Natürlich mit Cowboyhut, und der fand die Show des von ihm sehr geschätzten SPD-Spitzenkandidaten „marvellous“. Große Bühne, ein gut gefüllter Platz und spätsommerliches Wetter. Angesichts der Bilderbuch- Kulisse, umrahmt vom SPD-Chef Sigmar Gabriel, der Partei-Vize Manuela Schwesig und dem DGB-Vorsitzenden Michael Sommer drehte Wowereit noch einmal voll auf. „Liebe Renate, dumm gelaufen“, kommentierte er den Wahlkampf der Grünen, die sich „im freien Fall von 30 auf unter 20 Prozent“ befänden. Auch den CDU-Konkurrenten Frank Henkel fand Wowereit nicht besonders regierungsfähig. Wohlwissend, dass er auf eine der beiden Parteien wohl angewiesen sein wird. An diesem Abend – egal. „Berlin braucht eine starke SPD, das Rathaus wird rot bleiben.“ Der Sozialdemokrat warb für eine hohe Wahlbeteiligung und „klare Verhältnisse“. Der Parteifreund Gabriel lobte Wowereit als sozialdemokratisches „Gegenbild zur Politik im Kanzleramt“. Zehn Jahre Regierungschef, „das ist eine enorme Leistung in dieser Zeit“. Der Kanzlerin Merkel gab der SPD-Bundeschef mit auf den Weg, dass „sie in ihrer Regierung endlich Ordnung schaffen oder den Weg für Neuwahlen frei machen muss“. Das kam gut an bei den 6000 Zuhörern. Und Wowereit freute sich über die Unterstützung des DGB-Chefs. „Der Schulterschluss mit den Gewerkschaften ist wieder gelungen, das ist nicht selbstverständlich.“ Dann sorgte die Gruppe Karat für den Schlussakkord. za

CDU

Nach zehn Jahren Streit und vergeblichen Regenerationsversuchen haben der CDU-Landeschef Frank Henkel und sein Präsidium die CDU schön weit in die große Mitte geschoben – kein Wunder, dass Parteichefin Angela Merkel sich bei Großveranstaltungen der Berliner CDU gern sehen lässt. Beim Wahlkampfabschluss am Freitagnachmittag, traditionell auf dem Kranoldplatz in Lichterfelde, wo schon Helmut Kohl sprach, redete Merkel bereits zum zweiten Mal zu Berliner Unionsanhängern. Vor 2000 Zuhörern bewies die Kanzlerin gewisse Kenntnisse der Berliner Lokalpolitik: Hauptstadt der Kinderarmut, Bundesland mit den schlechtesten Bildungsergebnissen, über 60 Milliarden Schulden, weil der Senat nichts getan habe, um „hier Arbeitsplätze zu schaffen“. Es reiche nicht, nur von arm und sexy zu sprechen, sagte Merkel. Dann ging es um Europa. „Der Euro ist stabil“, sagte sie, „aber wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht zu einer Schuldenunion entwickeln“. Zuvor hatte der CDU-Kandidat Henkel den Kranoldplatz mit einem druckvoll und pathetisch herausgesagten „Ich glaube an ein starkes Berlin“ bewegt. Dem Publikum gefiel es. CDU-Aktivisten sagten, sie hätten das Gefühl gehabt, von den Leuten wieder ernst genommen zu werden. Sie seien so oft wie nie zuvor nach dem Wahlprogramm gefragt worden. Ob es der runde, fehlerlose Wahlkampf war, der die Union möglicherweise zur zweitstärksten Kraft machen wird – oder ob es die Fehler der Grünen waren, die sie um Platz zwei bringen dürften: kaum zu sagen. Für die Berliner CDU dürfte der Wahlkampf so etwas wie ein Polit-Trainingslager für bessere Zeiten gewesen sein. wvb.

Was Grüne, Linke und Piraten auf die Beine stellten, erfahren Sie auf der nächsten Seite

GRÜNE

Winfried Kretschmann glaubt an Wunder: „Was wäre Politik ohne Wunder. Es geschehen immer Dinge, die niemand erwartet hätte, wie einen grünen Ministerpräsidenten.“ Der Grünen-Politiker aus Baden-Württemberg lobte am Freitagabend auf dem Schöneberger Winterfeldtplatz seine Parteifreundin Renate Künast. Sie sei die „richtige Kandidatin, die ein fulminantes Ergebnis einfahren wird. Das ist sicher“, sagte „Kretsch“ vor etwa 300 Zuhörern, darunter Basis-Mitglieder und Spitzenpolitiker wie Jürgen Trittin, Claudia Roth und Volker Beck. So einen Wahlkampf hatten die Berliner Grünen noch nie geführt: Er war von Anfang an einer Person auf den Leib geschneidert: Spitzenkandidatin Renate Künast. Doch die zunächst hohen Umfragewerte konnten weder Künast noch die Partei halten. Es war ein Wahlkampf, in dem die Grünen ihre Schwerpunkte auf Bildung, Arbeit, Klima legten. „Es war der längste Wahlkampf an einem Stück. Ich bin der Überzeugung, dass wir ein Berliner Rekordergebnis kriegen. Und dann wollen wir verhandeln für Berlin“, sagte Künast. Die Grünen würden nicht einfach den „Part der Linken übernehmen. Wo grün draufsteht, muss auch grüne Politik drin sein.“ Berlin wolle das Labor seiner eigenen Zukunft sein. „Und das geht nur mit einer grünen Beteiligung.“ Sie wiederholte das Nein zur Verlängerung der A 100 als grundlegende Bedingung für Rot-Grün. Bis Sonntag solle sich die SPD erklären. Parteichefin Roth sandte einen Gruß zu „Sigi“ Gabriel und „Wowi“ zum Potsdamer Platz, wo die SPD die „70er Jahre der guten Zeiten der Sozialdemokratie mit Karat feiern“. Die Renate habe gezeigt, wo der Schuh in Berlin drücke. Und der Ausbau der A 100 wäre ein „betonierter Stinkefinger“. Richtig überzeugend fand das Publikum dieses Bild nicht. Es gab höflichen Applaus. sib

LINKE

Sie habe kein schlechtes Gefühl, aber vor Prognosen hüte sie sich, sagt Carola Bluhm, während sie am Freitagnachmittag zwischen reichlich 200 zumeist älteren Leuten vor der Linken-Bühne auf dem Schlossplatz Köpenick steht. Die Sozialsenatorin erinnert sich noch an den Schreck beim Absturz ihrer Partei 2006. Vielleicht denkt sie aber auch an Bundeschefin Gesine Lötzsch, die ein paar Meter weiter steht und mit fragwürdigen Äußerungen zu Mauerbau und einem Glückwunsch an Fidel Castro ihren Berliner Parteifreunden den Wahlkampf erschwert hat. Auf der Bühne singt Wirtschaftssenator und Spitzenkandidat Harald Wolf das Hohelied der Gemeinschaftsschule, preist den öffentlichen Beschäftigungssektor als faire Alternative zu Ein-Euro-Jobs und warnt, dass Klaus Wowereit nicht mehr derselbe sein werde wie bisher, wenn die SPD nicht mehr mit den Linken, sondern mit CDU oder Grünen regiere. Schließlich dankt er „den Aktivistinnen und Aktivisten“, die Plakate der NPD überpinselt oder anderweitig entschärft haben.

Vier Mal war vorher ein altes Wohnmobil mit Reklame für die rechtsradikale Partei vorbeigerollt. Vom Beifahrersitz aus fotografierte Parteichef Udo Voigt mit einer Digitalkamera aus asiatischer Produktion die Versammlung. Die NPD-Zentrale ist der politische Schandfleck von Köpenick, doch inhaltlich arbeiten sich die Linken hier eher an der SPD ab, die seit der Wende im Bezirk regiert.

Die Ausdauer der Zuhörer wird mit einem Auftritt von Gregor Gysi belohnt, der lang und kurzweilig über Flugrouten, Bankenskandal und die Weltherrschaft der Finanzmärkte spricht. Als die Sonne sich schon rot färbt, ist Gysi gerade in Griechenland. Viele Leute schauen jetzt freundlicher als zuvor, manche nicken unbewusst. Gysi funktioniert immer. obs

PIRATEN-PARTEI

Keine Reden, keine Versprechen, dafür Sternburg-Bier aus der Plastiktüte und kalte Buletten. Die Piratenpartei traf sich am Freitagnachmittag im Treptower Park. Nur ein normales Picknick sollte es sein, sagt die suchtpolitische Sprecherin Heide Haagen. Auf dem Rasen liegt eine Decke, daneben stecken Fackeln. Mikulas Ferjenuk, zweiter Chef der tschechischen Piraten, spielt Akkordeon. Über eine Stunde nach dem angekündigten Termin sind es etwas mehr als ein Dutzend Piraten. Die anderen würden noch Wahlkampf machen, heißt es. Manche wundern sich über die guten Umfrageergebnisse. Irgendwann kommt Spitzenkandidat Andreas Baum mit dem Floß angeschippert. „Wir werden über fünf Prozent kommen“, sagt Baum, die Stimmung sei gut. Die Piraten haben 15 Kandidaten auf der Landesliste. Was, wenn sie mehr Mandate gewinnen würden? Dieser Fall ist unwahrscheinlich, aber denkbar. Zum Vergleich: Die FDP hatte 2006 mit 7,6 Prozent 13 Mandate. Die zusätzlichen Plätze blieben dann laut Landeswahlgesetz unbesetzt. Ausgerechnet Junge Liberale besuchen mit zwei Booten die Piraten. „Schulden stoppen, Piraten entern“, steht auf Plakaten. Die Piraten kontern mit Häme. Die Wasserschutzpolizei beendet den kleinen Protest. Friedlich wollen die Piraten im Anschluss weiterschippern zur Oberbaumbrücke. Und am Sonntag ins Parlament. sib/spa

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