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Talent 2

© ddp

Bahnindustrie: Auf dem richtigen Gleis

Die Bahnindustrie in Berlin und Umgebung hat sich wieder erholt. 200 Jobs entstanden in diesem Jahr. Die Unternehmen Stadler und Bombardier verkaufen Züge in ganz Europa. Auch Zulieferer profitieren.

Ein Flirt geht auf Reisen: F steht für flink. L für leicht, I für innovativ. R und T bedeuten: „Regional Triebzug“. „Flirt“ hat die Firma Stadler Pankow GmbH ihre erfolgreichen S-Bahnzüge genannt, die an der Pankower Lessingstraße gebaut werden. Gerade hat das Unternehmen eine Bestellung für 18 dieser Züge zum Einsatz im Maas-Rhein-Lippe-Netz des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr erhalten. 80 Millionen Euro zusätzlichen Umsatz bedeutet der Auftrag für die Schweizer Firmengruppe, die ihre Berliner Niederlassung vor sieben Jahren gründete und inVelten zusätzlich ein Servicezentrum betreibt. Es ist bereits der vierte Großauftrag in diesem Jahr.

Die Bahnindustrie in der Hauptstadtregion boomt. Stadler und der zweite Hersteller Bombardier haben in diesem Jahr bislang Aufträge in jeweils dreistelliger Millionenhöhe angenommen. Die Produktion in den Werken der beiden Unternehmen in Berlin und Hennigsdorf ist für die nächsten Jahre gesichert. Ein Aufschwung, von dem auch Zulieferbetriebe profitieren: Er sichert in Berlin und Brandenburg rund 4100 Arbeitsplätze. Mehr als 200 davon sind in diesem Jahr entstanden.

„Wir sind froh über die Geschäftsentwicklung in den vergangenen sechs Jahren“, sagt Michael Daum, Geschäftsführer der Stadler Pankow GmbH. Die Zahl der Mitarbeiter hat sich seitdem verdoppelt. Allein seit dem vergangenen Jahr ist die Belegschaft um 120 auf 550 Mitarbeiter gewachsen. 30 Prozent mehr Aufträge als 2006 sind bei Stadler Pankow eingegangen. Der Umsatz stieg um 20 Prozent. Umsatzsummen für die einzelnen Standorte nennt die Firma nicht.

Die Berliner Züge von Stadler werden demnächst in vielen Gegenden Europas fahren: Im französischen Lyon werden sechs Straßenbahnen für 5,5 Millionen Euro ab 2009 den Hauptbahnhof und Flughafen verbinden. Die Grazer Stadtwerke bestellten Mitte Oktober für 97 Millionen Euro 45 niederflurige Bahnen vom Typ Vario – der bislang größte Straßenbahnauftrag für das Berliner Werk. Die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH kaufte im Juni für 25 Millionen Euro Triebwagen. Den größten Einzelauftrag mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro hatte Stadler Pankow bereits im vergangenen Jahr von den Verkehrsnetzbetreibern Angel Trains Europa und Rhenus Keolis erhalten: 25 Flirt-Züge für Nordrhein-Westfalen.

Auch der Konkurrent Bombardier schickt seine Züge wieder in die Welt. Das Unternehmen hat sich nach einem Tief erholt. Zwischen 2003 und 2005 war auch das Werk in Hennigsdorf so wenig ausgelastet, dass rund 1000 Stellen abgebaut wurden. Seit Jahresbeginn ist die Zahl der Mitarbeiter jedoch wieder um 99 auf 1939 gestiegen, 2008 soll es 11 zusätzliche Ausbildungsplätze geben. Gerade präsentierte Bombardier mit einer großen Show den in Hennigsdorf entwickelten neuen Regionalzug „Talent 2“. 42 Stück im Wert von 170 Millionen Euro hat die Deutsche Bahn Anfang Oktober von diesem Modell bestellt. Ab 2010 sollen sie in Nürnberg als S-Bahnen zum Einsatz kommen. In den nächsten Jahren wird die Bahn noch 279 weitere Züge bei Bombardier bestellen. Das ist in einem sogenannten Rahmenvertrag im Februar festgehalten worden. Insgesamt 1,2 Milliarden Euro will die Bahn ausgeben.

Außerdem entstehen im Hennigsdorfer Werk, der ehemaligen VEB Lokomotivfabrik, derzeit Regionalzüge vom Modell Regina für Schweden sowie 26 S-Bahnen für den DB-Regionalbereich Rhein-Ruhr. Und wenn sich die vier Prototypen der speziell für die BVG entwickelten Straßenbahn „Flexity Berlin" ab 2008 im Probeeinsatz bewähren, sollen hier ab 2011 auch 206 Modelle dieses Typs gefertigt werden. Individuelle Wirtschaftszahlen für einzelne Werke veröffentlicht der Konzern Bombardier, dessen Zentrale seiner weltweit tätigen Schienenverkehrssparte am Schöneberger Ufer in Berlin angesiedelt ist, nicht. „Wir sind mit der guten Auftragslage in unseren acht deutschen Standorten sehr zufrieden“, sagt Klaus Baur, Sprecher der Geschäftsführung von Bombardier Transportation in Deutschland. Grund für den Erfolg sei die wachsende Nachfrage in Deutschland aber auch in ganz Europa,sowohl für Personen- als auch für Güterzüge. „Die Zukunft unseres Werks in Hennigsdorf ist vielversprechend, vor allem durch den Vertrag mit der Deutschen Bahn", sagt Klaus Baur. Er sei froh, dass dadurch Industriearbeitsplätze für hoch qualifizierte Mitarbeiter in der Hauptstadtregion gesichert seien.

Die Region habe sich zu einem wichtigen Standort für die Bahnindustrie entwickelt, sagt Roland Pörner, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland. Denn einige der wichtigsten Auftraggeber wie die Deutsche Bahn AG und die BVG haben hier ihren Sitz und so direkten Kontakt zu den Deutschland-Zentralen der Produzenten Bombardier und Stadler. Durch die Arbeit der vielen bahntechnischen Lehrstühle an Universitäten und Fachhochschulen erhalte die Branche ständig wichtige Impulse.

Das kommt auch den zahlreichen Zulieferbetrieben zugute. Rund 50 Unternehmen der Branche aus Berlin und Brandenburg beteiligten sich 2006 an einem Gemeinschaftsstand auf der Schienenverkehrs-Fachmesse Innotrans. Alle zwei Jahre findet sie unter dem Funkturm statt und trägt ebenfalls zur wachsenden Führungsrolle der Hauptstadtregion in der Bahntechnik bei. Seit 1996 hat sie sich von einer kleinen Schau mit 172 Ausstellern, von denen gerade einmal 21 aus dem Ausland kamen, zur internationalen Leitmesse gemausert. 2006 stammten 781 der inzwischen 1603 Aussteller aus 41 Ländern, es wurden knapp 65 000 Fachbesucher aus aller Welt gezählt.

Und die nächste Innotrans im September 2008 wird wahrscheinlich noch größer: Die Gesamtfläche der Vorjahresveranstaltung ist bereits heute gebucht.

Rainer W. During

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