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Berliner Wirtschaft: Baumeister des neuen Berlins

Der Unternehmer Klaus Groth hat vieles in der Stadt gestaltet – und noch vieles vor. Heute wird er 70 Jahre alt

Oleg Popow imponierte ihm, als der altgediente Clown kürzlich in einem Fernsehinterview sagte: „Wenn du überlegen musst, was mach’ ich morgen, dann näherst du dich dem Tod. Du musst immer einen Morgen haben.“ Der Morgen von Klaus Groth beginnt auch heute wieder um 5 Uhr mit dem Ruf des Weckers.

Groth weiß, was er tun muss. Als wär’s ein ganz normaler Tag, fährt er von Dahlem früh ins Büro. Einer der großen Unternehmer der Stadt, der beispielsweise den Städtebau am Tiergartenrand in Bewegung gesetzt hat, wird heute 70 Jahre alt. „Die Disziplin zum Aufhören habe ich nicht“, sagt er. Es gebe so viel zu bauen, so viele Projekte, „die Stadt ist voller Verführungen“. Diese Verführungen sind auszuloten. Ruhestand ist unpassend. In seinem Büro am Kurfürstendamm hängen Baupläne an den Wänden. Etwa vom Europäischen Energieforum (Euref), das er mit Partnern, unter anderem aus Russland, auf dem alten Gasometer-Gelände in Schöneberg entwickelt. Er brütet über Entwürfen vom „Diplomatenpark Tiergarten“ oder Bauprojekten am Spittelmarkt.

Groth wuselt von Plan zu Plan, von Telefon zu Telefon, ein Energiebündel. Seine Groth-Gruppe zählt 130 Mitarbeiter, der enge Führungszirkel ist sich seit Jahrzehnten vertraut. Trotzdem siezt man sich – es geht norddeutsch, hanseatisch zu. Groth schätzt „gestandene Strukturen“, die lassen nicht zu, dass er ans Aufhören denkt. Und wer soll ihn ersetzen? „Ich habe noch keinen Nachfolger.“ Der jüngste Sohn ist sieben, der älteste arbeitet in einem Tochterunternehmen.

Seit der Firmengründung von Groth + Graalfs 1982 (der Partner stieg 1994 aus) schien das Unternehmen nur eine Richtung zu kennen: Nach oben, Expansion. Vor einigen Jahren aber sah es gar nicht gut aus für die Bau- und Projektentwicklungsfirma, da wurde ihr schon die Pleite prophezeit. Die großen Hoffnungen der Immobilienbranche auf steiles Wachstum und hohe Gewinne erfüllten sich zur Jahrtausendwende nicht, Groth erinnert sich schaudernd an den„Verfall der Werte“, an den schwindenden Kredit, an die „Zitterpartie“. An den Bankenskandal, er sei „in die Landowsky-Ecke gedrängt, wie ein Aussätziger behandelt worden“. Es habe wehgetan, mit unbewiesenen Verdächtigungen konfrontiert zu werden. Der Plan, in München Fuß zu fassen, zerschlug sich. Von Klaus Wowereit habe er letztlich eine „Ehrenerklärung“ erhalten, sagt Groth.

Nach der langen Durststrecke gehe es seit ein- bis eineinhalb Jahren wieder richtig los, da könne er doch gar nicht ans Aufhören denken. Er habe finanzkräftige Partner im Boot, unter anderem aus Spanien, die ältere Führungskräfte wie ihn für berechenbarer hielten. Und sie wüssten, dass keine Stadt in Europa so viel städtebauliches Entwicklungspotenzial wie Berlin habe. Allerdings nicht auf dem Tempelhofer Flugfeld, betont er.

Groth begann als Kommunalbeamter in Glücksburg und entwickelte dort Wohnungsbaugebiete. In Berlin und in Potsdam (Glienicker Horn, Kirchsteigfeld) hat er viel gebaut: die Siedlung Karow-Nord nach der Wende, das Gelände an der Tiergartener Rauchstraße für die Internationale Bauausstellung oder das Tiergarten-Viertel. Er hat am Köbis-Dreieck mitgearbeitet, wie jetzt am Diplomatenpark. „Ein bisschen stolz“ macht es ihn, mit dem Auto abends von der Siegessäule in die Hofjägerallee einzubiegen und in der Ferne die Lichter dieser neuen Viertel zu sehen, die auf einer Stadtbrache entstanden. Und dass dort mit der CDU-Bundeszentrale ein Haus steht, das zu den meistgefilmten Häusern in Europa zählt. Dass an dieser Kreuzung am Lützowplatz, die er städtebaulich mitgestaltet hat, täglich 120 000 Autos vorbeikommen.

Drei Milliarden Euro hat sein Unternehmen in 125 Bauprojekte investiert, es verwaltet 23 000 Wohnungen und Gewerberäume. Vom Bauernhof in Schleswig-Holstein bis zum Baulöwen in Berlin – diese Bilderbuchkarriere könnte am Freitag, wenn offiziell im Spiegelsaal des Theaters des Westens gefeiert wird, aufgeblättert werden. Wie beim 60. Geburtstag, den Groth im Hotel Adlon feierte, der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen gehörte zu den Gästen. Klaus Wowereit wird vermutlich nicht kommen. Der ehemalige Bundesminister Klaus Töpfer hält die Festrede.

„Wenn du eine Aufgabe hast und weißt,was du morgen tun wirst, dann erlebst du auch den nächsten Morgen“, hat Clown Popow auch gesagt. Groth sieht viele Aufgaben vor sich. Siebzig Jahre? „Ich bin ruhiger, gelassener geworden.“ Wer ihn vor seinen immer neuen Plänen und Entwürfen sieht, mag zweifeln.

Christian van Lessen

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